Aus dem Briefkasten Lotusblüten 1897 2. Semester / Einführung

Es kann nicht oft genug wiederholt werde, dass die Theosophie und der Okkultismus zwei ganz verschiedene Dinge sind. Die Theosophie ist die Selbsterkenntnis der Einheit und Allgegenwart Gottes im Weltall und hat nichts mit okkulter Wissenschaft und magischen Künsten zu schaffen.

Auch braucht niemand notwendigerweise einer theosophischen Gesellschaft anzugehören, um sich selbst in Gott und Gott in sich zu finden.

Der wahre Okkultismus beginnt erst dort, wo die durch die Theosophie erlangte geistige Erkenntnis eingetreten ist, und deshalb kann niemand ein wirklicher Okkultist werden, ohne vorher ein Theosoph im wahren Sinne des Wortes geworden zu sein; es wäre denn, er ergäbe sich dem Schrecklichsten aller Schicksale, der schwarzen Magie. Wer deshalb ein Okkultist werden will, muss dazu reif geworden und vorbereitet, d.h. über allen Egoismus und Selbstsucht hinausgewachsen sein; sonst erwartet ihn, infolge unabänderlicher Naturgesetzte, für sein unbefugtes Eindringen in die göttlichen Geheimnisse nicht nur moralische Verkommenheit, sondern auch der ewige Tod. Wer sich zum Göttlichen und Unsterblichen erhebt, der tritt in das ewige Leben ein; wer das Göttliche und Unsterbliche zum Vergänglichen herunterzuzerren sucht, der geht mit dem Vergänglichen zu Grunde. Dies ist aber gerade das Unglück so vieler neugieriger und liebloser Menschen, dass sie sich in die göttlichen Geheimnisse eindrängen wollen ohne zu deren Empfang vorbereitet zur sein.

 

Ferner umfasst das Studium der Theosohpie allerdings alle Gebiete der niederen und der höheren Wissenschaft und damit auch den Okkultismus. Damit ist aber nicht gesagt, dass der Hauptzweck der "Theosophischen Gesellschaft" sei, okkulte Künste zu betreiben. Im Gegenteil ist das Studium der Magie nur für die weinigen, welche durch die Erlangung der Gotteskenntnis hierzu befähigt geworden sind, und es sollten aus der Gesellschaft all diejenigen Elemente fern gehalten werden, welche nur nach dem Besitz okkulter Kräfte streben, ohne dabei den durch die Statuten vorgeschriebenen Gesetze der Brüderlichkeit und Toleranz zu huldigen oder dasselbe auszuüben.

Zur nächsten Seite