Ueber die Entstehung eines Teils Ihrer mystischen  Schriften hat Sie selber folgendes berichtet.(Aus dem Büchlein "Neues Grünen entnommen")

  Ich wohnte in einem Hause an der Adelphi mit dem Blick auf den Fluss, als "die Nadel der Kleopatra" auf dieser alten Seestrasse nach London geschafft und auf dem Uferdamm aufgerichtet wurde, gerade unter meinen Fenstern. Schon beim ersten Male, als ich hinschaute, sah ich ein Antlitz in der Säule, dass, wie ich bald merkte, den anderen nicht sichtbar war.  Es war ein ägyptisches Gesicht, voll Kraft und Willensstärke und Leben. Auf mich machte es einen seltsamen Eindruck, denn es hatte gerade die Breite der Nadel selber, sodass ich ich unwillkürlich an ein ein gefangenes Wesen denken musste, für das der Raum, in den es eingeschlossen, zu eng war. Ich kann das nicht weiter erklären; ich kann nur sagen, ich hae niemals die Nadel angesehen, ohne zugleich das Antlitz zu erblicken. Manchmal sah ich die Augen geschlossen, mit der Haltung tiefer, "ägyptischer" Ruhe; häufiger waren sie geöffnet und schauten mit unergründlichen Blicken um sich. Sogleich nach der Ankunft der "Nadel" gewahrte ich einen Zug weissgekleideter Priester auf meine Haustüre zuschreiten; sie kamen herein, kamen die Treppe herauf, traten in mein Zimmer und stellten sich schweigend um mich herum.

Das geschah in der Folge oft, und ich gewöhnte mich an den Glanz der weissen Gewänder inmitten der Dürsternis, die meist über diesen Teil von London liegt.

Ich arbeitete damals an einer Novelle und schrieb emsig daran. Bei mir wohnte meine Schwägerin und arbeitete an einer Zeichnung, die sie ebenfalls voll-ständig beschäftigte. Gewöhnlich arbeiteten wir am selben Tische, sie sass mit ihrem Zeichenbrett an der einen Seite, ich gegenüber, eilig schreibend, wie es meine Gewohnheit ist. Ich warf die beschriebenen Blätter beiseite, ohne mir die Zeit zum trocknen der Tinte zu lassen. 

Eines Tages waren wir wieder in dieser Weise beschäftigt, als der Zug der Priester wieder kam. Ich sah nur einen Augenblick hin, und bemerkte wie gewöhnlich sich um mich herumreihend. Dann wandte ich mich wieder meiner Arbeit zu, denn sie musste zu einer bestimmten Zeit fertig sein, und ich wollte keine Weise darauf verschwenden die wundervolle Schar mit ihren stillen, von einem ernsten Vorsatz erfüllten Gesichtern und den weissen gleissenden Gewändern zu betrachten. Ich hatte sie meiner Schwägerin oft geschildert und oft hielt ich mich heute gar nicht erst auf, ihr etwas von Ihrer Anwesenheit zu sagen, und schrieb weiter. Sie muss indessen eine Veränderung in mir bemerkt haben.  

Ich sei starr oder wie zu Stein geworden- so drückte sie sich später aus-, meine Augen seien fest geschlossen gewesen, aber ich schrieb und schrieb weiter, so rasch wie immer und warf, wie sie sah, Blatt für Blatt noch nass von der Tinte beiseite. Das habe ziemlich lange Zeit gedauert, dann habe ich endlich die Augen geöffnet, und die Feder fallen lassen. Ich war sehr müde; aber ich war mir dessen, dass ich besinnungslos oder aus dem Körper gewesen, oder wie man es nun nennen will, keineswegs bewusst. Meine Schwägerin sagte nichts, beobachtete mich jedoch still und sah, wie ich ein Blatt meiner Handschrift aufnahm, überlas und zu meinem grössten Erstaunen merkte, dass es nicht, wie ich meinte, eine Seite der Novelle war, an der ich schrieb, sondern mir etwas ganz und gar Unbekanntes. Blatt um Blatt nahm ich zur Hand und betrachetete jedes mit Verwunderung. Ich hielt das Vorwort und das erst Kapitel des " Liedes von der weissen Lotos" .

 




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