Karel Weinfurter
(Auszug aus der mystischen Fibel)
Nun müssen wir nochmals auf das Wort "Vitriol" zurückkommen. Die Rosenkreuzer gebrauchen statt dessen das Wort "Essig". Nach den mystischen Autoren des Mittelalters bedeutet das "Äzende Vitriol" das menschliche Gewissen, und das ist somit der Schlüssel zu diesem Geheimnis. Das menschliche Gewissen ist nämlich die Stimme des Geistes, es ist dies jenes innere Wesen von uns, das ohne Rücksicht auf unseren Erfolg oder Misserfolg, ob es uns gefällt oder missfällt, streng und genau alle unsere Taten und Gedanken misst und abwägt, sie entweder gutheisst oder verwirft.
Dieses "Vitriol" ist somit die göttliche Kraft, die das Unkraut vom Weizen sondert oder die unedlen Metalle auflöst und verbrennt, so dass nur das Gold zurückbleibt. Dies alles ist sehr leicht symbolisch auszulegen, und wir brauchen uns nur die Arbeit unseres Gewissens vergegenwärtigen, um zu verstehen, dass es eine ebenso fressende und brennende, aber zugleich reinigende Kraft ist. Das sogenannte Gewissen ist die einzige Verbindung mit dem Schöpfer, der durch das Gewissen zu dem Menschen spricht. Das Gewissen ist unser geistiges Fundament, und darum muss derjenige, der den mystischen Weg betritt, von diesem Fundament aus als dem Anfangspunkt beginnen, er muss sich mystisch auf sein geistiges Ich konzentrieren, denn gerade jenes birgt das, was wir Gewissen nennen. Darum ist der Anfang des grossen Werkes das Gewissen, oder alchemistisch das Vitriol.