Nun müssen wir nochmals auf das Wort "Vitriol" zurückkommen. Die
Rosenkreuzer gebrauchen statt dessen das Wort "Essig". Nach den mystischen
Autoren des Mittelalters bedeutet das "Äzende Vitriol" das
menschliche Gewissen, und das ist somit der Schlüssel zu diesem Geheimnis.
Das menschliche Gewissen ist nämlich die Stimme des Geistes, es ist dies
jenes innere Wesen von uns, das ohne Rücksicht auf unseren Erfolg oder
Misserfolg, ob es uns gefällt oder missfällt, streng und genau alle unsere
Taten und Gedanken misst und abwägt, sie entweder gutheisst oder verwirft.
Dieses "Vitriol" ist somit die göttliche Kraft, die das Unkraut vom Weizen
sondert oder die unedlen Metalle auflöst und verbrennt, so dass nur das Gold
zurückbleibt. Dies alles ist sehr leicht symbolisch auszulegen, und wir
brauchen uns nur die Arbeit unseres Gewissens vergegenwärtigen, um zu
verstehen, dass es eine ebenso fressende und brennende, aber zugleich
reinigende Kraft ist. Das sogenannte Gewissen ist die einzige Verbindung mit
dem Schöpfer, der durch das Gewissen zu dem Menschen spricht. Das Gewissen
ist unser geistiges Fundament, und darum muss derjenige, der den mystischen
Weg betritt, von diesem Fundament aus als dem Anfangspunkt beginnen, er muss
sich mystisch auf sein geistiges Ich konzentrieren, denn gerade jenes birgt
das, was wir Gewissen nennen. Darum ist der Anfang des grossen Werkes das
Gewissen, oder alchemistisch das Vitriol.
