Das innere Jahr (Mabel Collins)
Dem
Neujahrsfest gehen die Feiern und Zeremonien der Geburt voraus, welche die
Jahreszeit markieren, in der die Sonne - das Licht und Leben der Welt- zur
Neugeburt schreitet, um Dunkelheit und Tod zu besiegen. Sie kommt jedes Jahr
zurück und wächst zur Stärke heran, während die Jahreszeiten vorschreiten.
Nach Macrobius stellten die Alten Ägypter die Sonne zur Wintersonnenwende
unter dem Bild eines kleinen Kindes dar.
Der Studierende des Höheren Okkultismus ist sich bewusst, dass der Mensch
ein Teil der Natur ist und dass ihre Mysterien sich offenbaren, wenn er in
das geheime, geheiligte Leben der Himmelsregionen und der Erde Zugang
findet. Für ihn geht dem jährlichen Zeitpunkt der materiellen Neu-Geburt ein
spiritueller Zustand - des Verlangens nach Geburt-voraus. Sowohl im
ägyptischen wie im buddhistischen Religionssystem wird die Idee
vorausgestellt, dass die Sonne im Herbst im Frühwinter stirbt oder ihre
befruchtende Kraft verliert.
Bild
Ewald Simon C.
Der Unterschied des Klimas in den verschiedenen Teilen der Erde beeinflusst
die Religionen der Welt nicht in der universalen Annahme des Monats Januar
als den Zeitpunkt der Wiederkehr vom Licht der Welt. Die ganze Natur fängt
von neuem zu leben an; und der Monat Dezember wird der Vorbereitung für
dieses frische Leben gewidmet. In einer Hieroglyphen-Inschrift ist von einer
Zeremonie die Rede, welche vom Pharao selbst oder einem der Hohepriester in
Memphis vollzogen wurde, und zwar an einem bestimmten Tag der seine
Heiligkeit dem anerkannten Ritus der Wintersonnenwende verdankte.
Der fundamentale Zusammenhang zwischen den Feiern der grossen
Welt-Religionen und dem Natur- Geschehen zeigt sich an der Art, wie sie in
den dramatischen Lauf des Jahres eingereiht sind. Auf der materiellen Ebene
beginnt dieses Drama mit dem überall begangenen Neujahrsfest, womit
symbolisch der kommende Sieg des Lichts über die Finsternis gefeiert wird;
und es erreicht seinen Höhepunkt Anfang Juni, dem Jahrestag von BUDDHA'S
NIRVANA.
Das spirituelle Wesen des Menschen ist unaufhörlich mit diesem "kleinen
Kind", diesem Lichtbringer, verbunden; und sobald der Aspirant das
psychische Bewusstsein erlangt, wird er sich der Mystischen Wiederkehr
dieses Wunder s bewusst, was in den Religionen als Geburt Tod und
Auferstehung geschildert ist. Während er die Bewusstseinsstufen
emporschreitet, erfährt er, dass auch die spirituellen Lichtträger das
Märtyrertum der Kreuzigung in Zeit und Raum erdulden und in die Gruft der
Materie hinabsteigen müssen. Und wie die GROSSEN dies in glänzender
Aufeinanderfolge ertragen, müssen es auch ihre Nachfolger tun!
Diese jährliche Einweihungen beginnen mit jenem Verlangen nach Wiedergeburt
in der Materie, welche dem menschlichen Geist - unter der Herrschaft der
Gegensatz-Paare in einem Leidenden Zustand versetzt. Denn Hitze und Kälte,
Freude und Schmerz, Liebe und Hass, männlich und weiblich und andere
Gegensätze bestürmen ihn fortwährend; und er kann sich nicht anders davon
befreien als die Notwendigkeit der Wiederverkörperung zu entrinnen.
Es war das Werk des CHRISTUS, die Bedeutung des Kreuzes zu verkünden und die
grosse Lektion des Opfers zu lehren, welche besagt, dass niemand die
Freiheit suchen sollte, bis nicht alle Wesen gerettet sind. Er versprach
immer bei uns zu bleiben, "bis ans Ende der Welt" auf sein Nirvana zu
verzichten und an den geheimnisvollen inneren Bewusstseinsstätten
bei seinen geliebten Kindern - den "Zöllnern und Sündern" - zu wohnen. Und
die die ihm nachfolgen, müssen ebenso handeln und jedes Jahr mit einem
verstärkten Willen zur Hilfe der Welt in den Zustand des "Verlangens nach
Geburt" eintreten. So ändert dieses Verlangen stufenweise seinen Charakter
und er wird selbstlos. Die Seele des Menschen und die Seele der Welt, die
Seele der Natur und die Über-Natur müssen in gleicher Weise die Geburtswehen
durchschreiten.