Zu einer Zeit, wo
überall ein krankhafter Mysticismus auftaucht, und geheime
Gesellschaften gebildet werden, in denen unter den verschiedenartigsten
Namen mit heiligen Dingen Missbrauch getrieben wird, düfte es von Nutzen
sein, folgende Worte von Karl von Eckahrtshausen (geschrieben im Jahre
1790) in Erinnerung zu bringen:
Nur der ein gutes Herz hat, verdient mit geheimen Wissenschaften bekannt
zu werden; denn er wird seine Kenntnisse zum Wohle der Menschheit
brauchen.
Die Weisheit ist der Sonne ähnlich; sie erwärmt jeden Sterblichen und
leuchtet über dem Scheitel aller Menschen; doch um die Wonne ihrer Wärme
zu fühlen, wird eine Organisation des Körper erfordert, die dem Grade
ihrer Wärme angemessen ist.
Der böse Mensch ist nicht würdig, die Wege zu kennen, durch welche die
Kunst zum Glücke führt, denn was Segen der Menscheheit in der Natur ist,
würde bei ihm Fluch der Welt werden. Die wohlriechenden Blumen duften
vergebens für den, der keinen Geruch hat, und die Brosamen, die von der
Tafel der Gottheit fallen, sind nicht für die Schweine, die im Kote
wühlen.
Wer einige Geheimisse besitzt, kann den
anderen nur den Weg zu denselben zeigen. Gehen muss der Lehrling selbst.
Der Natur grösste Geheinisse sind am nächsten bei uns, und Einfalt
findet sie eher als Stolz.
Wer den Geheimnissen der Natur nachspüren will, der studiere ihr grosses
Buch. Dieses Buch ist die Natur. Glücklich der, welcher die Buchstaben
kennt, mit welchen es geschrieben ist; noch glücklicher, wer
buchstabieren kann, und am glücklichsten, wer darin zu lesen weiss. Lies
darin mit dem Auge der Seele; dieses Auge ist die Beobachtung.
Selbst denken ist eine der wichtigsten Grundsätze. Wer selbst denkt, ist
weit erhaben über den, der nur anderen nachdenkt. Lesen ist gut, aber
selbst denken ist besser.
Der Stolz ist die Ursache, dass die Gelehrten immer in den Wolken
herumschweben, und die Schätze nicht kennen, die unter ihren
Füssen liegen. Der Stolz verachtet alles, lacht über alles, was er nicht
begreift. Er lässt sich nie herab und findet deshalb viele Geheimnisse
nicht, die oft die Natur dem einfältigsten Menschen mitgeteilt hat.
Gelehrte werfen oft den Kern fort und schreiben Folianten über die
Schale. Der Stolz der Gelehrten, ihre Zänkereien in den Schulen
entfernen uns von den Wegen der Wahrheit; denn diese ist nicht für die
Stolzen, sondern für den, der mit aufrichtigem Herzen Kenntnisse sucht,
um der Menschheit zu nützen.
Die mittelbar wirkende Kraft der Gottheit in dieser Körperwelt ist die
Natur. Wer die Gottheit von der Natur entfernen will, entfernt die Seele
vom Körper. Wo Gott mittelbar wirkt, da ist die Kraft dieser mittelbaren
Wirkung Natur.
Ohne
Gott ist die Natur ein totes Wesen. Natur ist der Herold des
Ewigen, das Organ, das den Schöpfer verkündigt und die Gottheit mit der
Körperwelt verbindet. In der Natur liegt die wirkende Kraft der Gottheit
zum Besten der Körperwelt.
Die wirkende Kraft der Gottheit zum Besten
der Geisterwelt ist mehr als Natur, sie ist Kraft der Ähnlichwerdung.
Hierin liegt der Grund zur Fortdauer, zur Unsterblichkeit.
Die Weisheit der meisten Gelehrten beschränkt sich auf das, was andere
gedacht und gesagt haben. Sie vergessen, das die Theorie der Praxis ihr
Dasein zu danken hat und dass die Natur war, ehe es Regeln gab.
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Ein Geist, der unfähig ist das Wahre und Schöne zu schätzen, wird am
ehesten durch das Wunderbare und Seltsame gereizt. Je unwissender ein
Mensch
ist, umso eher kann seine Einbildung in Bewegung gebracht werden. Die
angenehmste Nahrung eines trägen Geistes sind sonderbare Erscheinungen
und ausserordentliche Ereignisse. Alles ungewöhnliche hat für den
Unerfahrenen einen doppelten Reiz.
Jeder möchte geniessen; aber nur das, was ihm ohne viele Mühe den Besitz
geträumter Glückseligkeiten verspricht, ist ihm willkommen. Deshalb ist
der Scharlatan in der Welt mehr angesehen als der Weise.
Je mehr der Kopf eines Menschen von wahren Begriffen leer ist, umso
leichter beherrschen ihn erdichtete und falsche. Je mehr ein Gelehrter
aus Büchern und Autoren spricht, umso weniger hat er eigene Denkkraft.
Vorwitz, Stolz, Eigendünkel, blinder Hang an Autorität,
Gelehrtheitssucht sind die Irrlichter auf den Wegen, die zu den
Geheimnissen der Natur führen. Wir glauben oft diesen Geheimnissen auf
der Spur nahe zu sein, da wir am weitesten von ihnen entfernt sind.
Unsere physikalischen Kenntnisse sind Tändeleien gegen die, welche noch
in der Natur verborgen sine.
Einswerden ist das grosse Geheimnis der Natur, Einswerdung ist die
Bestimmung aller Dinge. Je mehr sich ein Wesen der Einswerdung
nähert, desto vollkommener wird dieses Wesen. Aber nicht alle Menschen
verstehen dies. Das grosse Gesetz dieser Bestimmung ist die Liebe; sie
ist die wirkende Kraft, Mittel zur Assimilation, Kette der Einswerdung.
Ihr dankt der weise die Macht des Geistes auf den Geist, die verborgenen
Kräfte der Seele, die magnetische Kraft.
Liegt unser Geist gleich im Kerker sinnlicher Organe verschlossen,
gefesselt in Fleisch und Knochen, so hört doch nie auf, ein Kind der
Gottheit zu sein. Stets bleibt ihm das Gepräge des Göttlichen, der
Selbstschwung, sich seiner Fesseln zu entledigen, und sich zu der Grösse
zu erheben, zu der er erschaffen ist. Der bestorganisierte Köper bleibt
immer ein Kerker des Geistes, worin ihn die Sinnlichkeit fesselt. Je
mehr sich der Geist von diesen Fesseln befreit, umso wirkender wird
seine Kraft. Die Entledigung von den sinnlichen Hindernissen ist die
Annäherung zur Gottheit; die Erkenntnis, die ihn dahin führt, die Gnade;
ihre Folge immer weitere Fortschreitung zur Vollkommenheit. Wer niemals
grosse seelenerhebende Wahrheiten überdacht hat, wird diese Sprache
nicht verstehen.
Je mehr ein Geist in der Kraft seines Geistes zunimmt, umso mehr nimmt
er an Sinnlichkeit ab.
Von einer Sache die ausserhalb des Kreises unserer Empfindung liegt,
haben wir keine Begriffe.
Die Falschheit, die Lüge, der Betrug, die Täuschung sind Werke der Sinne
und dieser Körperwelt. Erkenntnis und Wahrheit ist der Anteil der
Geisteswelt. Raum, Zeit, Zukunft, Vergangenes sind Attribute der
Körperwelt. Die Geisteswelt hat weder Raum noch Vergangenheit, noch
Zukunft, sondern ihr Zustand ist fortdauernder Gegenwart. Für die
Seele, die unabhängig vom Köper ist, ist das Zukünftige in dieser
Körperwelt schon Gegenwart, so wie das Vergangene; denn ihre Begriffe in
der Geisteswelt geschehen nicht mittels der Sinne, sondern unmittelbar
durch das wahre Verständnis der Sache. Alles besteht aus Dingen und
Wirkungen, Handlungen und Folgen, und die Geisterwelt übersieht alles.
Wir aber urteilen selten nach der Sache selbst, sondern nach den
Begriffen, die wir von der Sache haben, und darin liegt unsere
Beschränktheit und unser Irrtum. Die vom Köper unabhängige Seele
übersieht die Sache selbst und kennt folglich mit der Sache die
Wirkungen und Folgen. Ihre Übersicht ist nicht successiv, sondern
simultan, weil Sache, Wirkung und Folgen ein Ganzes sind.
Nicht das Äussere führt zum Licht, sonder das Innere; nämlich die
Erkenntnis Gottes und die Liebe. Viele suchen Weisheit von den Menschen,
und erwarten die Entdeckung grosser Geheimnisse in mystischen
Gesellschaften, und denken nicht daran, das die Wahre Weisheit
nur
von Gott kommt, und dass, wo es viele Menschen gibt, es doch nur wenige
Weise geben kann, weil Weisheit bisher noch der Anteil der Wenigen ist.
Sie sehen täglich die Uneinigkeit ihrer Brüder, die Eitelkeit, die
Zanksucht, den Neid, sie werden täglich durch ihre Leidenschaften
überzeugt, wie höchst sinnlich sie sind, und doch sehen sie nicht ein, dass
alle diese Menschen weit vollkommener sein müssten, wenn wahre Weisheit
unter ihnen wäre.
Sie sehen einige ihrer mystischen Oberen und ihrer Brüder von höheren
Graden täglich vor sich, und können sich überzeugen, dass der grösste
Teil, ungeachtet der höheren Grade nicht in besseren Menschen besteht,
und doch fällt es ihnen nicht ein, dass der Tempel des Lichts nicht dort
sein kann wo es im Herzen nicht helle wird. Wer sich dem Lichte nähert,
muss notwendig mehr erleuchtet werden.
Suche Weisheit und Aufklärung allein dort, wo Gott ist. Er sei dein
Leiter und dein Führer. Er wird dein Inneres eröffnen und dich mit
Schätzen der Weisheit überschütten.
Es gibt wenige Menschen, die würdig sind, in die Gesellschaft der Weisen
aufgenommen zu werden; denn weinige weihen sich der wahren Weisheit,
Daher so viel Irrtum in der Welt. Weisheit erfordert Wahrheit und Güte,
und diese ist bei den Gelehrten selten. Daher ihr Stolz und ihre
Torheit. Verlasse die Wahrheit und Güte nie; die Schätze sind
unermesslich, welche die Weisheit ihren Verehren mitteilt.
Vor allem lerne die Nichtigkeit deines Selbst kennen, du kannst nicht
durch dich; sei daher nicht auf deine Kenntnisse stolz. Alles kommt von
Gott, der die Weisheit selbst ist.
Die wahre Weisheit ist nur im Lande der Weisheit zu finden; es ist dem
grössten Teile der Menschen verborgen. In ihm steht der Tempel der
Gottheit. Dieser Tempel ist das Herz des Menschen, das erst durch Güte
gebildet werden muss, ehe die göttliche Weisheit in denselben
herabsteigt.
Die Liebe verbindet die Gesellschaft der Weisen. Sie haben daher weder
Konvente noch Logen; sie lernen sich in entfernten Welteilen kennen und
Wahrheit und Güte ist ihr Organ. Ihre Arbeit ist tätige Gottes- und
Menschenliebe; der Schöpfer schliesst keine Menschen aus. Daher nimmt
keiner den anderen auf, sondern jeder muss sich selbst aufnehmen; nach
dem Grade der Erkenntnis und Liebe, in dem er steht, und von oben herab
wird jedem gegeben, was er ertragen kann.
Die Gesellschaft der Weisen ist eine ewige Gesellschaft erleuchtet von
der ewigen Sonne, wo kein Betrug, keine Finsternis sein kann. Ihr Werk
ist die Anbetung der Gottheit im Geiste und in der Wahrheit.
Im Lande der Weisen steht der Tempel der Natur. Der Flug des Geistes
trägt den Weisen dorthin; allein ein jeder sieht nur je nach der
Beschaffenheit des Auges seiner Seele, und so weit als Gott ihm seine
Sehkraft eröffnet hat. Ei jeder teilt dem anderen so viel mit, als er
mitteilen kann und der andere zu empfangen fähig ist.
Wie ein Krystall, wenn er von der Sonne erwärmt ist, sich wieder
erkältet, wenn er von der Sonne entfernt wird, so verliert sich die
Weisheit wieder im Herzen des Menschen, wenn er sich von Wahrheit und
Güte entfernt.
Die Arbeit der Weisen, welche in der Welt zerstreut leben, ist, so viel
Gutes in der Menschheit zu verbreiten, als in ihren Kräften steht, und
von der Urquelle der Weisheit, von Gott selbst, Licht zu schöpfen. Ihre
Anzahl ist klein. Einige leben in Europa, einige an den Küsten von
Afrika; allein die gleiche Stimmung der Seele verbindet sie alle unter
einander und sie machen nur eines aus. Sie sind beisammen, obgleich
tausend Meilen sie trennen; sie verstehen sich, obgleich sie in
verschiedenen Sprachen reden, denn die Sprache der Weisen ist
Anschaulichkeit. Sie arbeiten den Finsternissen entgegen und teilen ihre
Wissenschaften mit der Behutsamkeit und Sorgfalt mit, welche die
Vernunft und Weisheit erfordern.
Kein Böser kann sich unter ihnen aufhalten, denn er wird sogleich
erkennbar, indem er der göttlichen Erleuchtung nicht fähig ist; gleich
einem Spiegel, der, wenn er mit Staub bedeckt ist, die Strahlen der
Sonne nicht empfängt. Je mehr aber der gute Mensch seine Seele
vervollkommnet, umso mehr nähert er sich der Gottheit. Er wird gross;
seine Einsicht vermehrt sich in irdischen Dingen mit seinem Lichte, und
seine Wunderkraft der Liebe.
So kann sich der Mensch empor heben bis zur Heiligung. Er hat Umgang mit
vollkommenen Geschöpfen der Geisterwelt (Mahatmas), er wird von ihnen
unterrichtet und geführt. Sein Dasein ist das eines Kindes der Gottheit;
die ganze Natur ist ihm unterworfen, denn er wird zu einem Organ des
Schöpfers. Er dringt in die Zukunft; ihm sind die Gedanken und
Schicksale der Menschen bekannt, und die Geheimnisse der Ewigkeit liegen
vor ihm enthüllt.