Wiederverkörperung
(aus Mysterien der
Seele, ein F.Hartmann-Brevier)
herausgegeben von K.O.Schmidt)
Nach dem ablegen des Körpers im sogenannten "Tode" kehrt der unzerstörbare
Teil des Menschenwesens- seine Individualität- in seine geistige Heimat
zurück. Er nimmt alle Elemente und Erinnerungen mit sich, die er während
seines Erdendaseins erworben, und seinem Wesen eingefügt hat. Der Rest
bleibt zurück und löst sich auf.
In der geistigen Welt erwacht nach einer mehr oder minder langen "Zeit" der
Ruhe und Erfahrungskristallisation zu Kräften und Eigenschaften aufs neue
der Durst, das Verlangen nach physischem Dasein. Der Geist verschafft sich
mit Hilfe einer wahlverwandten Mutter ein neues Körperkleid, in das alles
Neigungen, Kräfte und Tendenzen, die in früheren Daseinsformen verwoben
wurden, eingewoben werden, und in dem das Karma der Vergangenheit - und zwar
das gemeinsame Karma, das den Geist gerade mit diesen Eltern verbindet - mit
der Zeugung und Geburt wieder in seine Rechte tritt.
So beginnt das Spiel des Lebens von neuem. Jedes neue Erdenleben gleicht
einem Tage im kosmischen Lebensjahr des Geistes.
Unter Reinkarnation (Wiederverkörperung) wird eben dieses Wiedereintreten
der geistigen Individualität in eine neue persönliche Verkörperung auf Erden
oder gar auf einer andern planetarischen Welt verstanden. Der Mensch gleicht
einem Schauspieler, der immer unter neuen Masken ("persona" heisst "Maske")
und in immer neue Rollen auf der Bühne des Daseins auftritt, dabei aber doch
immer der Gleiche bleibt.
Ein einziges Dasein auf dieser Welt genügt nicht, um alle Erfahrungen zu
gewinnen, die das Leben in überreicher Fülle bietet, oder um gar jene
Vollkommenheit zu erlangen, die Jesus Christus von uns forder. Meister
Eckehart vergleicht den Geist des Menschen darum mit Recht einem Zimmermann,
der sich immer wieder eine neue Wohnstatt zimmert.
Noch deutlicher sagt es die Bhagavad'Gita:" Wie ein Mensch, der ein altes
Kleid ablegt und ein neues anzieht, so offenbart sich die ewige Wesenheit,
das Selbst, nach dem Ablegen seines Körperkleides in einem anderen, neu sich
bildenden Leibe.....Wie im gegenwärtigen Dasein Kindheit und Jugend, Reife
und Alter nur vergängliche Erscheinungsformen des ewigen innern Menschen
während seiner irdischen Verkörperung sind, so ist es auch im nächsten und
in jedem folgenden Dasein. Die Weisen bleiben deshalb gelassen."
Die Zeit zwischen zwei Verkörperungen ist verschieden lang, je nach den
Erfahrungen und den geistigen Kräften, die die Seele im irdischen
Dasein erworben hat, die sich dann in der geistigen Welt zu Eigenschaften
entwickelt. Je mehr Erfahrungen gewonnen wurden, desto länger dauert
der Aufenthalt in den geistigen Welten. Wo wenig oder nichts vorhanden ist,
erfolgt die Wiederverkörperung um so bälder.
Mit der geistigen Reife nimmt die Fähigkeit der Rückerinnerung an frühere
Leben zu, die bei Kindern nicht selten ist, aber durch die Sinneseindrücke
im neuen Dasein, durch die Erziehung daheim und in der Schule zumeist rasch
erstickt wird. Aber wenn der Mensch zum Selbstsein erwacht, wird auch die
Erinnerung lebendig.
Mit ihr vertieft sich die Erkenntnis, dass der Sinn der Wiederverkörperungen
in der irdischen Schule der Erfahrung der ist, dass wir lernen, durch
Überwindung der Nichterkenntnis und der Unzulänglichkeiten zur
Selbstbesinnung und Selbstverwirklichung zu gelangen und den Erlöser auf dem
Kreislauf der Notwendigkeit in uns selber zu finden.
Die Schule der göttlichen Weisheit hat viele Klassen, und es mag oft mehr
als ein Leben dauern, bis wir uns den Lehrstoff einer Klasse zu eigen
gemacht haben. Aber was sind Jahrtausende und Jahrmillionen für unser ewiges
Selbst, das über Raum und Zeit erhaben ist? Dunkel und ungreifbar bleibt
seine Pilgerfahrt durch die Unendlichkeit nur dem, dessen geistige Sinne
noch nicht erwacht sind. Hat er aber einmal begriffen, dass der Weg zu Gott
innen ist und dass er sich selber zum Wege werden muss, dann wird das für
Ihn zum Pfad in Licht, auf dem er immer vollkommener die ewige Einheit
seines Selbstes mit dem All-Selbst der Gottheit erkennt und verwirklicht uns
so - vielleicht gar in diesem Dasein - zur Wiedergeburt gelangt. Mit dieser
Wiedergeburt endet der Kreislauf der Wiederkehr - es sei denn, er übernimmt
freiwillig eine Mission für die Welt.