Im Sommer 1935 starb leider mein lieber Freund Dr. Alfred Strauss, und es erging von Seite des Karl-Rohm-Verlages in Lorch-Württemberg den Ruf an mich das vorliegende Buch für eine verbesserte und erweiterte Neuauflage zuzurichten.  Diesem ehrenvollen Auftrag bin ich nun gerne nachgekommen, einerseits, weil ich mit Dr. Strauss durch 25 Jahre freundschaftlich verbunden war, anderseits, weil sein Buch « Theurgische Heilmethoden» in seiner Art einzig dasteht und immer wieder begehrt wird.

In erster Auflage erschien dieses Buch als Band XV meiner bekannten Sammlung «Okkulte Medizin».

Besonders wertvoll auf für den Kenner der Materie, ist das vorliegende Buch dadurch, dass dessen Verfasser es erst auf Grund von langjährigen, eigenen Erfahrungen und Erlebnissen, auf okkultem und mystischem Gebiete, schrieb. Sodann war Dr. Strauss ein Mann von ganz aussergewöhnlich hohen Verstandes- und Geistesgaben, auch musikalisch sehr gut veranlagt und ungeheuer belesen. Daneben aber erfüllte ihn ein stetes Streben nach Verinnerlichung und Vergeistigung und so ward er schliesslich dazu auserwählt, dieses vorwiegend mystische Buch, für ernstliche suchende und ringende Seelen, zu schreiben.
 

Spricht man aber heute das Wort mystisch oder Mystik aus, so kann man in 90 von 100 Fällen damit rechnen, dass man ihm mit einem gewissen Misstrauen oder mit einer verächtlichen Geringschätzung begegnet. Das hat auch Karl Weinfurter, der Verfasser des ganz vorzüglichen Werkes: « Der brennende Busch oder der entschleierte Weg der Mystik»», erlebt und er suchte daher bereits im ersten Kapitel seines eben genannte Buches den Begriff der Mystik, tunlichst zu klären indem er sagt:

»
Die breite Allgemeinheit glaubt gewöhnlich die Mystik sei etwas absolutes Unverständliches, ein nebelhafter, schattenhafter und unerklärbarer Begriff. Sie identifiziert mit der Mystik einen anderen Begriff – den des Mystizismus – Mystik ist aber nicht Mystizismus. Unter dem Worte Mystizismus versteht man alles Geheimnisvolle, Unerklärliche, Nebelhafte, allenfalls auch Gespenstige, während wir unter der Mystik etwas ganz anderes verstehen. Die Mystik ist die mit der praktischen Anwendung und Ausübung verbundene Lehre, wie sich der sterbliche Mensch schon in diesem Leben mit seinem Schöpfer vereinigen kann.  Mystik ist also keine blosse Theorie, sondern sie ist ein Erlebnis. Der Leser sieht sofort, dass es sich hier um etwas, selbst für religiös veranlagte Menschen, Unerhörtes, Grosses und Unfassbares handelt. Für den, der weder Gefühl noch Verständnis für religiöse Dinge hat, ist dieser Begriff freilich vollends absurd. Aber für solche Leser schreiben wir nicht.» 

Dieser letzte Satz gilt auch für das vorliegende Buch und wir sprechen gleichzeitig den Wunsch aus, es möge nur in Hände jener Menschen kommen, die seelisch dazu herangereift sind, denn nur solche werden es richtig verstehen, ganz erfassen und auch Nutzen daraus ziehen können. Im übrigen sei noch daran erinnert, dass auch Goethe sich viel mit Mystik beschäftigte – wie hätte er ansonsten seinen «Faust» so meisterhaft schreiben können – und er sagte, wohl im Bezug auf sich selbst: « Im Alter wird man Mystiker.» Heute aber ist die Mystik viel verbreiteter als man meint, ja das magisch-mystische Weltbild hat – wie Dr. Max Kemmerich in seinem ausgezeichneten Buche: « Das Weltbild des Mystikers» treffend darlegt -das materialistische- mechanistische Weltbild bereits siegreich überwunden.
 

Ein zweiter Stein des Anstosses dürfte der sein, dass Dr. Strauss sich öfters auf die Kabbala beruft und sie auch zitiert. Man kann nun getrost sagen, dass selbst heute noch von 100 gebildeten Menschen 99 die Kabbala als eine «rein jüdische Geheimwissenschaft» vollkommen ablehnen. Darin aber befinden sie sich in einem Irrtum, denn gerade in dem vorliegenden Buch wird der Nachweis zu erbringen versucht, dass die Kabbala keine spezielle Erfindung  des «jüdischen Geistes» ist, sondern im Gegenteil, dass die Juden dieselbe durch die Chaldäer und Aegypter kennen lernten und dann allerdings mannigfach ausbauten. Aber die Kabbala an sich ist an kein Volk, an keine Rasse gebunden, ebensowenig wie etwa die Mathematik, Astronomie, Astrologie, Physik oder Chemie usw. Denn die Kabbala beschäftigt sich im Wesentlichen damit, die okkulten, kosmischen und mystischen Kräfte zu ergründen und auch praktisch zu verwerten. Deshalb sind auch alle grossen Eingeweihten und praktischen Mystiker mehr oder minder Kabbalisten gewesen. Ja, Guido von List (Wien, numher leider auch verstorben) versuchte sogar den Beweis zu erbringen, dass die Kabbala urarisches Weisheitsgut ist, wie dies besonders aus seinem Buche:» Armanentum und Kabbala» hervorgeht. Näheres darüber im siebten Kapitel des vorliegenden Buches. Zudem hat erst vor wenigen Jahren der deutsche Runenforscher Bartel Bauer nachgewiesen, dass die alten Germanen sehr wohl die okkulten Kräfte der Runen und die Magie des Wortes kannten. Auch findet man in der Edda genügend Beweise dafür. Diese lassen sich nicht hinwegdisputieren!

Drittens muss aber auch hier eingangs die Frage erörtert werden, wie man sich in der Lebenspraxis zu den mystischen Heilmethoden und insbesondere zur Anwendung der Gebetskraft zu Heilzwecken, sowohl als Kranker, als auch als Heiler, stellen soll, um nicht am Ende mit irgendwelchen Gesetzen oder Verordnungen in Konflikt zu kommen.
 Da ist es gut darauf hinzuweisen, dass zu Gebetsheilung nur derjenige Mensch Zuflucht nehmen soll, der eine gläubige Natur ist, denn die Grösse des Erfolges, bei Gebetsheilungen, hängt in den allermeisten Fällen von der Grösse des Glaubens ab, was sowohl für den Heilungssuchenden als auch für den Heiler gilt. 

Deswegen aber braucht ein Kranker keineswegs  jede andere Heilmethode oder ärztliche Hilfe ganz über Bord zu werfen! Im Gegenteil: man kann beides ganz gut vereinigen, denn durch das gläubige Gebet wird fast jeder Kranke sich seelisch beruhigt und gestärkt finden, was sich dann wieder günstig auf seinen körperlichen Zustand auswirken wird und muss.

 
Nur in jenen Fällen, wo Ärzte offen erklären, dass sie einem Kranken nicht mehr helfen können, soll dieser den Versuch machen, seine letzte Zuflucht und Hilfe nur mehr im Gebet und der grundlosen Güte, Liebe und Barmherzigkeit Gottes zu suchen. Und man wird, höchstwahrscheinlich öfter als man meint, auch in verzweifelten Fällen, günstige, mitunter sogar wunderbare Erfolge erleben. Schon im vorliegenden Buche sind genügend schlagende Beispiele dieser Art niedergelegt.  Weitere auch in  meiner kleinen, aber vielgelesenen Schrift» Die Kraft der Gedanken, des Wunsches und des Gebets.»

 
An sonstigen Büchern empfehle ich, ausser den Werken Kernings, über welche man näheres in den Anhängerbogen dieses Buches findet den: «Brennenden Busch» von Karl Weinfurter, welches Buch den Schlüssel zum System Kernings bietet. Ich halte dieses Buch Weinfurters überhaupt für das Bedeutendste der praktischen Mystik der neueren Zeit. Es sind darin Dinge veröffentlicht, welche bisher noch niemals in einem jedermann zugänglichen Buche so offen geschildert wurden. Wer die Schätze zu heben vermag, welche, «der brennende Busch» oder der «entschleierte Weg der Mystik» bietet, ist wahrhaft glücklich zu nennen und hat es kann kaum noch nötig, weiter Bücher zu studieren, wenn in ihm der «Geist der Buchstaben» lebendig wird. Denn dadurch kommt er zum inneren richtigen Wort, welches ihn in allen Lebenslagen leiten, führen, beraten und schützen wird.  Auch hat solch ein praktischer Mystiker nicht mehr nötig, nach irgendwelchen äusseren «Führern und Meistern» zu suchen, wenn er den Meister in sich selbst, das heisst, seinen wahren göttlichen, unsterblichen Wesenskern gefunden hat.

Diesen innersten göttliche Kern in uns selber zu finden, zu erwecken, zu erleben und ihn zur hellen Flamme anzufachen, welche Flamme alsdann Seele und Körper durchdringt, vergeistigt und zur Wiedergeburt bringt, ist ja schliesslich das Wesen  und der Kern aller wahren Mystik, mithin auch das System Kernings, der ursprünglich Johannes Baptiste Krebs hiess, und sich dann wohl, in Anspielung auf seine Mission, in uns den göttlichen Kern zu erwecken, «Kerning» nannte. Können wir nämlich in uns den Kern von der Schale, Wesen und Erscheinung, Sterbliches vom Unsterblichen unterscheiden, so können wir es auch in allen Dingen und haben damit den Schlüssel zur Erkenntnis des ganzen Universums in den Händen.
 

Es lohnt sich also schon, unseren göttlichen Wesenskern zu suchen und finden und es wurde auch bereits sehr über diesen «inneren Meister» oder «Christus in uns» geschrieben, aber es mangelte bisher an der richtigen, praktischen Anleitung wie man diesen innerlichen Meister, diesen Schatz aller Schätze in sich selbst finden könne. Nunmehr aber, weil offenbar die Zeit dafür herangereift ist, das Wassermannszeitalter soll bereits 1950 beginnen und mit ihm eine neue spirituelle Entwicklung der ganzen Menschheit haben die Hüter der wahren Weisheit und praktischen Mystik es für gut befunden, allen ehrlichen Suchenden den Weg, den Weg zu Gott, in noch nie dagewesener Deutlichkeit zu zeigen. Dieser Weg aber ist in uns, denn schon Christus sagt: «Das Himmelreich ist in Euch!» In ihm ist aber auch sicherlich Gott zu finden, denn wo sollte der Vater ansonsten sein, wenn nicht im Himmelreich?  Womit erwiesen ist, dass die praktische Mystik, wie sie Kerning lehrte, mit den Evangelien nicht im Widerspruch steht.

 

G.W. Surya                

 

Auszug aus den «Theurgischen Heilmethoden»

von    Dr. Alfred Strauss und G.W. Surya

 

 (Vorwort zur zweiten Auflage von G.W. Surya)