1.  Die Theorie des Lebens

 

Es gibt eine erste Ursache aller Dinge, und diese Ur – Sachen nennen wir „Gott“; sie ist qualitativ unteilbar, weil keine teilbare Eigenschaft die Ursache aller Dinge sein kann, und quantitativ unermesslich, weil, wenn eine Ursache da wäre, die sie begrenzte, sie nicht die (erste) Ursache von allen Dingen wäre. Gott ist absolut vollkommen, weil er als Ursache aller Dinge nichts anderes bezweckt als sich selber und diesen Zweck in jeder Richtung erreicht.

 

Der Geist des Menschen ist ein Teil Gottes, das I c h des Menschen ist weder identisch mit diesem Geiste, noch mit der menschlichen Form, sondern es besteht in der Verbindung von Geist und Form (Leib). Da der Geist (das Wesen) Gottes im Menschen vollkommen ist, so ist an ihm auch nichts zu verbessern. Er weiss alles aus sich selbst, weil alles der Idee nach in ihm von Ewigkeit her enthalten ist. Es bedarf keiner Lehre und keines Unterrichts; er kann nicht weiser und nicht törichter werden; er ist das, was er ist, was er immer war und was er ewig sein wird.

 

Der Mensch trägt das höchste Wesen in sich; aber er ist (als Mensch) dieses höchste Wesen nicht selbst. Wäre sein menschliches (Ich) identisch mit dem Geiste, so müsste er sich selber als diesen Geist erkennen. Da er aber diesen Geist nicht erkennt, so ist dieses Unbekannte nicht er selbst, sondern ein Gegenstand, den er kennen lernen will.  (In unserem alltäglichen Persönlichkeitsbewusstsein sind Subjekt und Objekt, das Ich und der Geist noch nicht Eins.)

 

Die Persönlichkeit (das Ich) des Menschen besteht in seinem in der individuellen Form begründeten individuellen Bewusstsein, und seine materielle Form ist nicht von ewiger Dauer. Dieses persönliche Selbstbewusstsein (sein Ich) muss daher mit dem Tode dieser Form erlöschen, vorausgesetzt, dass nicht während der Zeit ihres Daseins eine neue Form erzeugt worden ist, in welcher der Geist mit dem Wesen des Menschen verbunden ist, um in ihr fortdauernd zu existieren. Soll daher von der Unsterblichkeit des menschlichen Ich´s die Rede sein, so müssen wir untersuchen, ob die Möglichkeit einer solchen neuen Verbindung vorhanden ist, so dass der Mensch gleichsam als Raupe sterben und als Schmetterling ein neues Dasein fortsetzen kann.

 

(Wenn unser Ich-Bewusstsein nur das Resultat einer vorübergehenden Einwirkung des Geistes auf die Form ist, so muss dasselbe auch mit dem Aufhören der Form, sei es auf der physischen oder astralen Ebene, verschwinden. Nur eine dauerhafte Verbindung kann dauerhaft sein.)   

 

Die Möglichkeit einer solchen Verbindung wird durch das Traumleben bezeugt; denn auch hier ist ein innerliches Leben mit innerlichen Sinnen vorhanden, welches die Traumbilder objektiv wahrnimmt. Dass aber die Traumbilder meist verworren und das Bewusstsein nicht klar ist, kann dadurch erklärt werden, dass der gewöhnliche Mensch sich in der Traumsphäre oder im inneren Leben auf einer ähnlichen Stufe befindet, wie das neugeborene Kind im äusseren Leben, d.h. dass sein „Traumkörper“ noch nicht entwickelt ist.  Will nun der Mensch die Fähigkeit erlangen, nach dem Tode seines Körpers noch persönlich fortzuexistieren, so handelt es sich für ihn darum, das innere Leben in sich zu erzeugen und auszubilden.

 

Viele meinen, dieses innere Leben, dieser neue (astrale Organismus) bilde sich von selbst; aber nichts in der Natur wächst von selbst, wenn ihm nicht Nahrung zugeführt wird. Wohl ist der Geist der Werkmeister in dem neuen Organismus; aber wenn der Mensch sich dem Einflusse dieses Geistes nicht hingibt oder sich ihm entzieht, so kann auch das innere Leben nicht erwachen und die innerliche Geburt nicht stattfinden.

 

Ohne diese geistige Wiedergeburt kann von einem unsterblichen leben keine Rede sein. An die Stelle des zerbrechlichen irdischen Körpers muss ein neuer unzerbrechlicher, aus geistigen Stoffen gebildeter Leib treten. Ebenso müssen aber auch alle sündhaften und irdischen Begierden und triebe „absterben“ die ja doch „im Jenseits“ keine Nahrung mehr finden würden.  Auch zieht die leibliche Wiedergeburt die sittliche wohl meistens nach sich; denn ein Mensch, in dem freie geistige Kräfte erwacht sind, wird schwerlich noch mit Lust am Vergänglichen hängen.  Den Reichtum, die Macht, das Ansehen und die Eitelkeit dieser Welt wird der Wiedergeborene als Kinderspielzeug betrachten, das ihn nicht von seiner wahren Bestimmung ablenken kann. Das innere Leben in seiner Vollkommenheit wird durch das Leben Jesu repräsentiert.

 

 (Alle göttlichen Kräfte im Menschen gehören dem Gottmenschen (Jesus) an; und wer diesen in sich erkennen lernt, der lernt auch alle diese seine Kräfte kennen; aber ohne diese Erkenntnisse ist alles Streben nach dem Besitze solcher wunderwirkenden Kräfte verkehrt. Joh.XIV, 12).

 

Es steht geschrieben: „ Im inneren Leben werden alle von Gott gelehrt sein. Wer das Wort des Vaters (in sich) hört und es lernt, der kommt zum ewigen Leben,

 

 (Joh. VI, 45. – Lukas XII, 12, Joh. XVI, 13. - XIV,26. – II. Pet. I, 21. – Matth. X.20. – Mark. XIII, 11,  - Luk. XXI. 15.

 

und wer an mich glaubt (d.h. wer meinen Geist als Kraft in sich trägt), der wird die Werke auch tun, die ich tue und wird noch grössere als diese tun.“

 

Berufspflichten erfüllen, in die Kirche gehen, Almosen spenden, Stiftungen machen und dergleichen kann auch ein gewöhnlicher Mensch; aber durch das Wort des Geistes Kranke gesund machen, klar in die Zukunft sehen, magisch in die Ferne wirken und dergl. dazu gehört die Kraft des inneren Lebens eines im Geiste von Christus wiedergeborenen Menschen.

 

„ An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“

 

Das äussere Leben ist vielen Zufällen und Verwandlungen unterworfen; in ihm ist Trübsal, Zweifel, Krankheit, Schwäche, Unverstand, Entbehrung und Tod, im Leben im Inneren aber herrscht Ruhe, Erkenntnis, Liebe und Seligkeit.

 

II. Mittel zum inneren Leben

 

Wahres Glück ist nur dasjenige, welches dauert; deshalb bringt auch das vergängliche irdische Leben kein wahres Glück. Die Erfüllung unserer Pflichten allein reicht noch nicht hin, um das innere Leben zu erwecken, in welchem allein das Glück von Dauer ist.

 

(Lukas XVII, 10,)

 

Die Moral ist nur eine hierzu nötige Vorbedingung, Selbstgerechtigkeit und Erwartung von Belohnung raubt uns den Segen Gottes. Gattenliebe, Kinderliebe, Gehorsam und viele andere Tugenden findet sich auch bei den Tieren; sie sind nötig, aber sie sind zur Erreichung des inneren Lebens nicht hinreichend. Ebensowenig reicht hierzu die Gelehrsamkeit aus. Aus dem Gelehrtenkram eines Menschen ist noch nie ein inneres Leben entsprungen.

 

(I.              Corinth. XIII, 1 – 3.)

 

Keine irdische Wissenschaft kann sich über das Reich der fünf Sinne erheben, und deshalb ist all unser Wissen vergänglich. Der Geist braucht unsere Gelehrsamkeit nicht; denn all unser Wissen stammt ja aus ihm. Wäre die Gelehrsamkeit der Schlüssel zum inneren Leben, so kämen am Ende nur Doktoren und Professoren zur ewigen Seligkeit. Tatsächlich trägt jeder Mensch die höchste Weisheit in sich selbst; er braucht sich nicht um die Meinung anderer zu bekümmern, um die Wahrheit zu finden. Wenn er richtig in sich selber schaut, so findet er dort die Quelle, aus welcher Erkenntnis und Seligkeit ohne Unterlass quillt; denn der Geist, als ein Teil Gottes, steht in Verbindung mit Gott, und wer ihn erfasst, dem öffnet sich das Reich Gottes und die Wunder Gottes in der Natur.

 

(Joh.XIV, 10, XVII,17)

 

Nicht das angelernte Wissen, sondern die Kraft der Selbsterkenntnis gibt uns das innere Leben.

 

(Joh. XVII,3.)

 

 

Der Ursprung jeder Wirkung ist die Kraft, durch welche sie entsteht. Die Kräfte des Universums wurzeln in den Elementen des Denkens in den Buchstaben der Sprache, oder wie es in die Bibel nennt, im„W o r t“ als der Gesamtsumme dieser Kräfte.  Jede Kraft ist eine Form der Bewegung, jede Bewegung geschieht im Raum und Zeit und bedingt dadurch Stoff und Form. Vollständig einfache Kräfte sind solche, in denen Stoff und Form identisch sind; diese Einfachheit besitzen die Buchstaben als Elemente des Denkens und Wesen der Kräfte.

 

Unter „Buchstaben“ als Wesen der Kraft sind aber nicht die äusserlichen, willkürlichen Zeichen derselben in den verschiedenen Schriftsprachen zu verstehen, sondern es ist nur der Charakter und Geist gemeint, der in den Buchstabenideen liegt; die Urform, der mit dem Charakter dieser absolut einfachen Ideen korrespondiert oder identische ist.
 
(Jeder Laut, jeder Ton, jeder Buchstabe drückt ein ihm entsprechendes Gefühl und einen demselben zu Grunde liegenden Gedanken aus und ruft anderseits dieses Gefühlt und den Gedanken hervor. Darin liegt die Macht der vom Geiste geborenen Sprache und der Musik).

 

Unter allen Buchstaben unterscheiden sich die Charaktere von

 

I A O

 

am schärfsten voneinander, so dass selbst das schwächste Gefühl deren Allgewalt anerkennen kann;

(Beispiele: ein feiner zuckender stechender Schmerz ruft den Ausdruck I, ein Schlag mit geballter Faust ein O, ein plötzliches Erstaunen ein A, ein Schrecken ein U hervor, u.dgl.m.)

wenn der Mensch die Aussenwelt auf diese Weise betrachtet, so findet er, dass er überall voll lauter Buchstaben umgeben ist. Überall ist Gottes Wort, überall spricht Gott in der Höhe und tiefe, in der Einsamkeit und im Geräusch, in Hitze und Frost, im Grossen und Kleinen, im Nahen und Fernen; überall, wohin die Sinne des Menschen dringen, ist die Sprache Gottes, und der Mensch hat nur nötig, die Buchstaben derselben, diese geistigen Charaktere, diese lebendige Skala, die Urformen des Wortes, die Sprachkräfte Gottes vernehmen, fühlen und verstehen zu lernen, um seines Lebens Endzweck unfehlbar zu erreichen.

 

Das Belebende, Wohltuende, Stärkende in der freien Natur empfindet jeder, dessen Gefühl noch nicht abgestumpft ist. Der Städter geht zu seiner Erholung hinaus aufs Land; die Sprachkräfte der Natur dringen in sein Gemüt; er fühlt die Sprache Gottes in der Natur, aber er versteht sie nicht. Er vermag sich dem gewaltigen Eindruck, den der Geist der Natur auf ihn ausübt, nicht zu erklären; dadurch fühlt er, dass dieser Geist Mächtig zu ihm spricht und dass er ihm verwandt ist; denn seine Sprache erweckt ein Echo in seiner Brust, es bemächtigt sich  seiner eine Sehnsucht nach dem Unendlichen; er möchte sich frei wissen von allen Fesseln und laut aufschreien zu Gott. Dann aber erwacht wieder seine sinnliche Natur und zieht ihn wieder zurück. Er begreift nicht, dass die ganze Natur ein Mund Gottes ist, und dass der Geist der Natur Gottes Sprachkräfte sind, die das innere Leben des Menschen erwecken. Deshalb ist die Natur so grossartig, weil das innere Leben ein wahrhaftiges Ebenbild Gottes werden soll. Die Natur ist dem Menschen gegeben, nicht zum Zeitvertreib, sondern zur Nahrung für sein inneres Leben. Die Sprachkräfte der Natur sind für das innere Leben das, was die Tonleiter für den Musiker ist; die Buchstaben sind die Schule für das innere Leben.

 

Der Mensch muss den Geist der verschiedenen Charaktere so lange auf sich einwirken lassen, bis sein Lebensgefühl ähnlich dem musikalischen Gehör geübt ist; bis Gott aufhört, für ihn etwas Fernes und Fremdes zu sein, und er mit ihm sprechen kann, wie mit sich selbst.

 

Jeder Baum, jeder Strauch, jede Blume, jedes Blatt, Berg, Felsen, Quelle, Wasserfall, See, Meer, Himmel und Sterne, Tag und Nacht, jede Form, jede Bewegung, jede Farbe, jeder Ton, alles hat seinen eigenen Charakter und diese Charaktere sind die Sprachkräfte Gottes, die sich zuletzt bis auf den Geist der Buchstaben zurückführen lassen.
 
Diesen Geist muss der Mensch als Buchstaben fühlen und empfinden lernen, dann bildet er sich sein inneres Leben, dann erweckt er Christus in sich, dann wird er ein Sohn und Ebenbild Gottes und teilhaftig aller geistigen Kräfte, die in der Natur der Gottheit liegen.

 

(wenn die Seele die Stimme der Natur vernimmt, so entspringt aus ihr das Gefühl für die Erhabenheit der Natur, aus diesem Gefühl kann das innerliche Schauen usw. entspringen. Aus Akasha entspringt Vayu, aus diesem Tejas usw. ; weshalb auch jedem Ton eine gewisse Farbe entspricht.)

 

Gott ist das Wort, und das Wort sind die Buchstaben; d.h. geistige Kräfte. Jede Kraftäusserung ist Bewegung, jede Bewegung eine Form; jede Bewegung hat ihren eigenen Charakter. Die einfachsten Charaktere oder Formen, folglich die einfachsten Bewegungen, sind Buchstaben. Sobald Gott tätig ist, spricht er; seine Tätigkeit ist seine Sprache, und die Sprache ist das Wesen oder der Name Gottes.

 

Wenn geschrieben steht: „Gott sprach es werde Licht und es ward licht!“ - so ist dies nicht so zu verstehen, als ob Gott ein Hexenmeister gewesen wäre, der diesen Befehl ausgesprochen hätte, und es dann auf eine unerklärliche Weise Licht geworden wäre; sondern die Kräfte des Weltalls, die Sprachelemente bewegten sich durch den göttlichen Willen und gebaren das Licht.

 

In der Sprache liegt Kraft, und darin besteht ihr wahrer Wert, eine geistlose Sprache aber hat auch keine Kraft und erweckt auch keine Überzeugung. Die Sprache als Kraft ist der Name Gottes, der heilig gehalten werden soll und wenn in der Offenbarung Johannis I, 8 und XXII, 13 Jesus von sich, d.h. vom inneren Wesen spricht: „ Ich bin das A und das O“, so sagt er damit : Ich bin Alles vom Ersten bis zum Letzten das ganze Alphabet. Die Kraft des Wortes ist der Geist des Vaters und drückt sich in Buchstaben (Bewegung) aus, durch deren Ineinandergreifen der ganze Reichtum der Schöpfung entsteht. Der Geist ist der spezifische Charakter dieser Bewegung und diese Charaktere muss der Mensch in allen Teilen seines Leibes fühlen und empfinden, wahrnehmen und verstehen lernen; dann wird er vom Geist Gottes durchdrungen und erleuchtet und emporgeschoben zur höchsten Tugend, zur Liebe und Erkenntnis Gottes.

 

Alle Erscheinungen in der Welt sind aus Eigenschaften zusammengesetzt; aber die einfachen Buchstaben, die fünf Vokale und sechzehn Konsonanten können nicht in noch einfacher Bestandteile zerlegt gedacht werden; sie ändern sich nicht. Sie sind die Elemente des Denkens und Empfindens; durch sie besitzt der Mensch den Schlüssel zum innerlichen Leben, zur Erkenntnis aller Dinge und Kräfte der ganzen Natur.

 

III.  Die Anwendung dieser Kräfte

 

Gott hat sich dem Menschen selbst gegeben; denn der Geist des Menschen ist ein Teil Gottes. Aber noch mehr! Er hat durch die Buchstabensprache dem Menschen die Fähigkeit verliehen, diesen Geist in seine Kraft und Stärke kennen zu lernen und das Ich mit dieser Stärke zu identifizieren. Nachdem ein Mensch geboren ist, lernt er zuerst aufrecht stehen, gehen und sprechen. Durch die äussere Sprache belebt sich das Bewusstsein; entwickelt sich Verstand, Vernunft und Wille. So ist es auch mit dem geistigen inneren Menschen. Er muss durch die gedachte Sprache in seinem Inneren wollen, denken und fühlen lernen; und wie das Kind selbständig stehen und gehen lernen muss, so muss er im Geiste selbständig werden, und zuerst das Fundament in den „Füssen“, Buchstaben denken und fühlen lernen. Ohne Buchstabierkunst, welche die UR-Religion und das Gesetz des Lebens ist, gibt es keine Gotteserkenntnis oder Selbsterkenntnis, keine Erkenntnis der Wahrheit, inneres Leben oder geistige Wiedergeburt, noch dauerndes Glück.

 

Man sollte täglich eine Stunde dieser Kunst widmen, indem man eine aufrechte Stellung einnimmt, die Buchstaben in Gedanken spricht und sein Ich in der Vorstellung in die Füsse versetzt. Die Ausübung ist leicht; aber es gehört hierzu Beharrlichkeit, Ausdauer und die ganze Energie, deren ein Mensch fähig ist. Auch kann ein jeder Mensch diese Kunst üben, und wenn seine Denkkraft nicht anderswertig in Anspruch genommen ist.

 

Durch Wollen, Denken und Fühlen muss der Mensch sein geistiges Leben erwecken, und dies ist nur möglich durch diese Kunst der Ausübung dieser geistigen Kräfte.

 

Die Sprachkräfte des Wortes Gottes in der Natur wirken unablässig, und dringen zeugend in das Gemüt des Menschen. Wer viel in der Einsamkeit ist, wie Jäger, Hirten, Seefahrer, auf den wirken die Sprachkräfte der ihn umgebenden Natur mächtiger, weil er sich diesen mehr hingeben kann, so liegt die Entwicklung in seiner Macht, als Grundsatz seines Lebens.

 

Er soll sich nicht isolieren, da ihn dies einseitig macht und ihm rein menschliche Tugenden, Liebe, Nachsicht, Geduld, Barmherzigkeit usw. raubt, ohne welche das innere Leben nur ein leerer Schein ist. Sich ganz von seinen Mitmenschen lostrennen und sich ganz dem äusseren Leben hingeben, sind beides verkehrte Richtungen und führen auf Abwege. Man sollte täglich eine Stunde auf die Ernährung und Erweckung des inneren Lebens verwenden, dadurch, dass man allein ist und in den Füssen den Geist der Buchstaben empfindet lernt. Was das Atmen für den irdischen Leib ist, das ist dieses Buchstabieren für den geistigen Leib. Wir müssen fähig werden, in allen Teilen unseres Körpers Buchstaben (Geist) ein – und ausatmen zu können; dies gibt uns himmlische Nahrung, denn das Wesen der Buchstaben ist ihre Kraft. 
Wollen, Denken und Fühlen sind Eines, wie Vater, Sohn und Geist; durch diese drei Potenzen kann der Mensch zum höchsten Gute, zur Freiheit gelangen. Der Wille Gottes ist frei, und wahres Glück ist bei völliger Freiheit denkbar. Das Buchstaben – Denken steht jedem frei; kein Gebot kann es hindern. Unser inneres leben ist nicht von äusserlichen Dingen, zu denen man einen Menschen zwingen, oder von denen man ihn abhalten könnte, (Kirchenbesuch, Schulunterricht, Taufe usw.) abhängig. Seine Möglichkeit ist niemandem verschlossen und es kann niemanden vorenthalten werden. Denken, Wollen und Fühlen sind freie Kräfte des Geistes.

 

Das Denken besteht in der Tätigkeit des Geistes; seine Tätigkeit offenbart sich in seinen Bewegungen; jede Bewegung hat einen bestimmten Charakter, und die einfachsten Charaktere sind die Buchstaben. Somit sind die Buchstaben die Elemente des Denkens, und die Urformen der Bewegungen des Geistes sind identisch mit diesen Elementen. Wenn nun z.B. das I das Innere, Liebliche, das A das Erhabene, AE das Klägliche, O das Volle, U das Gründliche, R das Erschütterende, PTK das Klopfende, WLCH das Wehende, M N Ng das Schwere repräsentieren, so heisst für den Menschen „denken lernen“ nichts anderes, als die unterschiedlichen Merkmale dieser geistigen Bewegung kennen zu lernen.

 

Dies geschieht dadurch, dass er dieselben solange in sich hineindenkt, bis sie zu seiner anderen Natur, zu (geistigem) Fleisch und Blut in ihm werden; d.h. bis er den Geist der Buchstaben in allen Teilen seines Leibes klar und deutlich fühlt.

 

Da „denken“ heisst, die Bewegungen des Geistes fühlen, so besteht es nicht nur darin, dass wir uns einen Gegenstand vorstellen, sondern dass wir diese Vorstellung im Innern fühlen, d.h. dass wir uns des Eindrucks bewusst werden, den diese Vorstellung auf den Geist macht. Wer den Geist der Buchstaben in sich empfindet, der weiss, was Gott ist, und dazu gibt es kein anderes Mittel, als dass man die Buchstaben solange in sich hineindenkt, bis man sich des Eindrucks bewusst wird, den dieselben auf den Geist machen. Jede Vorstellung eines Gegenstandes entspricht eine bestimmte Empfindung oder Bewegung des Geistes, und diese bildet ein Wort, das den klaren Gedanken ausdrückt, der dieser Empfindung entspricht.

 

Es ist folglich ein grosser Unterschied zwischen einer natürlichen oder UR-Sprache, und einer künstlich zusammengesetzten oder verdorbenen Sprache, welche nicht ein Ausdruck des wahren Wesens der Dinge ist.  Da von allen gebildeten Nationen der Deutsche allein noch eine ausgebildete Ursprache besitzt, so könnten die Deutschen die Herren der Welt werden, wenn sie die Kraft erkennen würden, die in ihrer Sprache liegt. Bei kraftlos gewordenen Nationen wird auch die Sprache kraftlos.

 

Im Geist liegt alles. Unser persönliches Wissen ist nur ein Widerschein des Wissen des Geistes. Wenn wir den Geist (das Unbewusste) richtig zu fragen verstehen, so gibt es uns Antwort. „ Wer (richtig) anklopft, dem wird aufgetan.“

 
(Die neuen deutschen Sprach- und Rechtschreibeverbesserungen legen ein trauriges Zeugnis davon ab, dass an autoritativer Stelle die feine Empfindungen für den Geist der Worte im Schwinden begriffen ist.“

Ideen, Ideenkraft (Wort) und Gedanken sind nicht ein Nichts, (sonst könnten wir sie nicht fühlen und mit dem Verstande begreifen.) Der Geist erlangt durch seine Offenbarung in uns Wesen und Substanz; Geist ohne Wesen wäre ohne Kraft. Wenn der Mensch z.b. I denkt, so ist dieser Gedanke nicht ein Wesenloses Nichts, sondern ein substanzielles Etwas, welches eine Form bildet, und wenn die Gedanken I A O auch nur eine Leiblichkeit haben, die feiner ist als das Sonnenlicht, so sind sie doch immerhin stofflich und haben eine durchdringende, sich ausbreitende und fassende Lebenskraft. Der Leib ist ein grober Geist und der Geist ein feiner Leib.

(
Matth. VII, 7. – Joh. V, 15.)
Äusserliche Dinge können mit äusseren Sinnen, geistige Dinge mit geistigen Sinnen wahrgenommen werden. „ Selig die reinen Herzen sind, denn sie werden Gott schauen.“

 

Je mehr ein Mensch sich mit einer Idee beschäftigt, sie in sich aufnimmt und ernährt, umso mehr wird sie ihm substanziell. Es bildet sich in ihm eine Art von Wiedergeburt, ein neues geistiges Wesen, welches diese Fleisch gewordene Idee ist und dies kann in das Ich des Menschen so übergehen, dass er zuletzt nichts anderes mehr denken und fühlen kann, als diese ihm eingefleischte Idee.

 

Die Wiedergeburt des Gottesgedankens im Menschen erfordert oft viel Mühe, Fleiss und Beharrlichkeit. Das neue Wesen steht sogleich fertig da und es ist nicht er, der dieses Wesen schafft, sondern die in ihm zum Leben und Bewusstsein gekommene Sprachkraft, (der Geist des Wortes Gottes in ihm)   

1.Corinth. XV. 40.

 

Was aber der Mensch säet, das wird er ernten. Wer auf den Geist säet, erntet vom Geist des Lebens; wer auf das Fleisch säet, das wird er ernten. Wer auf den Geist säet erntet vom Geist des Lebens; wer auf das Fleisch säet, dem bringt das Fleisch das Verderben. Alle Ideen die der Mensch in sich aufnimmt, sind Zeugungskräfte und aus Gleichem wird Gleiches geboren. 

 

Der eine jagt nach Ehren, der andere jagt nach Geld usw… Diese Ideen bewirken eine Art von Wiedergeburt. Sobald nun der irdische Leib zerbricht, so ist das innere Leben als ein Auswuchs  (Missgeburt) da und begehrt Befriedigung.

(
Dies sind die Kama-rupa; d.h. die „Begierdenleiber“ der erdgebundenen Seelen von verstorbenen Menschen im Kamaloca, dem Ort der Reinigung („Fegefeuer“). Auch ist die Wirkung dieses Naturgesetzes die Ursache des „Vampyrismus“, Spukgeister usw.
Wie will aber der Hoffärtige, der Geizige, Ehrsüchtige usw. diese Befriedigung finden? So müssen sie zu Grunde gehen und langsam verhungern, bis sich die Verbindung wieder auflöst und alle (astralen) Stoffe in Ihre Elemente zurückkehren.

(Der „ zweite Tod“. Die Seele muss von dieser astralen Form frei werden, ehe sie in die Götterwelt (Himmel) eingehen kann.

 

Was soll nun der Mensch tun?  - Er soll nicht diese oder jene Vorstellung, sondern die Wurzel aller Ideen, die Sprachkräfte Gottes, den dreifachen heiligen Namen Gottes, die Buchstabenkräfte in sich lebendig werden lassen. Der Geist der Buchstaben ist weder gut noch böse, wie ja auch der absolute Wille weder „gut“ noch „böse“ kennt.

 

Alle Bewegungen lassen sich als Variationen eines dreifachen Grundthemas oder von dreierlei Art von Bewegungen betrachten, nämlich die Linie, der Winkel und der Kreis; deshalb ist

 

O V I

 

die Wurzel des Namen Gottes, aus der die fünf Vokale oder Lebensströme (die fünf Tattwas) entspringen, wie sie im Worte „Jehovah“ dargestellt sind.

 

Alle religiösen Übungen haben den Zweck, das innerliche Leben im Menschen zu erwecken, die in ihm schlummernden göttlichen Kräfte zur Entwicklung zu bringen. Durch das Buchstabendenken lernt der Mensch die Stimme des heiligen Geistes vernehmen, und wenn er die Worte dieses Geistes hört und befolgt, wird er glücklich. Keine Gewalt im Himmel oder auf Erden kann dem Menschen Kraft und Seligkeit verleihen, wenn er sich nicht selbständig bemüht, diese aufzunehmen; die Erkenntnis der Wahrheit kann kein Mensch einem anderen mitteilen; sie ist eine lebendige Kraft, die als Lebensgefühl im Menschen wurzeln schlägt und endlich zu einem grossen mächtigen Baume des Glaubens, der Gewissheit und des Schauens heranwächst; ein nur auswendig gelerntes Glaubensbekenntnis ist wie ein gemaltes Feuer, das weder Licht noch wärme gibt.

 

Die Wiedergeburt ist sowohl eine leibliche als eine moralische. Die meisten Denker finden in den Gleichnissen der Bibel nichts weiter als Moral; aber die Moral allein zieht nicht direkt das innerliche Leben nach sich, sondern ist vielmehr im Gefolge von dessen Erweckung. Gott ist weder moralisch noch unmoralisch, weder gelehrt noch dumm. Das Wesen Gottes im Menschen ist Kraft; diese besteht in der Bewegung seines Geistes.

 

Das Nachdenken des Menschen besteht darin, dass er diese Bewegung des Geistes zu seinem Bewusstsein bringt. Gott schafft; d.h. er bewegt sich, und wenn er sich bewegt, so ist diese Bewegung eine Form, und diese Form hat einen Charakter, einen Geist, Sinn, Verstand. Die einfachsten Charaktere, der einfachste Verstand sind die Buchstaben, und deshalb heisst Gott das „Wort“. Die Kraft des Wortes schafft, und was sie schafft, ist gut, weise und schön, denn Weisheit und Schönheit liegen im Wesen einer absoluten vollkommenen Kraft. 
Gott bedarf des Nachdenkens nicht, um etwas zu schaffen; er ist die Einheit und das Wesen die allem Dasein zu Grunde liegt; er schafft, indem er sich selbst gibt. Seine Stärke ruht im Wort und das Wort sind Buchstaben, und der Geist der Buchstaben ist die Stärke, die sich in Weisheit und Schönheit offenbart. Wer das nicht fühlt, der ist noch kein Mensch; er erkennt weder sich, noch Gott, noch den Geist der Natur; und es gibt für ihn keinen anderen Rat  als den Geist der Buchstaben so lange in sich hineinzudenken, er deren Kraft und Stärke in sich verspürt. Dann ist er vom Tode zum Leben auferstanden.

 

Wenn er diesen Geist zu seinem Bewusstsein gebracht und mit seinem Ich identifiziert hat, bis er deren Kraft in sich verspürt. Dann ist er vom Tode zum Leben auferstanden. Wenn er diesen Geist zu seinem Bewusstsein gebracht und mit seinem Ich identifiziert hat, so gelangt er zur Freiheit. Alles ist aus dem Worte gemacht, und es gibt keinen anderen Weg, zum geistigen Leben und zur Seligkeit zu gelangen, als im Namen des Herrn. Der Name des Herrn aber sind die Fleisch und Blut gewordenen Sprachkräfte Gottes; den der Name Gottes ist seine Kraft und Bewegung, die sich im Worte, d.h. als Buchstaben offenbart.

 

In dem Worte, in den Sprachkräften, liegt das Leben und diese Sprachkräfte sind das Licht des Menschen.  Sie durchdringen die Finsternis des irdischen Sinnenmenschen, aber obwohl die Sinne dieser Sprachkräfte hören, fühlen, sehen, schmecken und riechen, bleibt ihnen doch der Geist derselben, das wahre Licht, unbegreiflich. Dies ist das wahre Licht, das allen Menschen leuchtet, die in die Welt kommen; denn die Sprachkräfte der Natur sind Gemeingut und stehen jedermann frei. Wer durch sein Wollen, denken und Fühlen sie in sich aufnimmt, der entringt sich den Banden der Finsternis und erlangt Stärke im Licht. Dieses Licht ist der Wille Gottes, der Liebe, die nichts anderes will, als dass sie die Menschen erleuchte und zum wahren Leben erwecke.

 

Wer an den Namen des Herrn, d.h. an das innere Leben glaubt; mit anderen Worten, wer davon überzeugt ist, dass er die Sprachkräfte des Universums zeugend in sich aufnehmen, und das sich daraus ein neuer Leib bilden kann, gibt Christus (dem Wort) die Macht, ein Kind Gottes zu werden.

 

Die Worte des irdischen Menschen verhallen in der Luft, wie ein Rauch der verfliegt; aber das Wort des Geistes welches der Wiedergeborene ausspricht, (das innere Leben) ist eine Kraft, der nichts widersteht. Will jemand dieses Wort hinnehmen und sich und sich dadurch ernähren, so muss er sich diesen Sprachkräften hingeben und diese Elemente des Denkens, die Buchstaben, in sich aufnehmen. Dies ist aber eine harte Zumutung für die Gelehrten, dass sie den Thron ihres angehäuften Wissens verlassen und einfach Buchstaben in sich hineindenken sollen; aber gerade in dieser Einfachheit (die keine komplizierte Gehirntätigkeit nötig hat) liegt die wahre Empfänglichkeit.
(
Der Geist in uns ist nicht ein Produkt der Gedanken, sondern der Denker selbst, der die Gedanken erzeugt.)
Christus sagt: „Wer gewaschen ist, bedarf mehr nicht, als dass er die Füsse wasche, im übrigen ist er rein,“ (Joh. XIII, 8 – 10.). d.h. dass der Mensch wenn er reinen Herzens ist, kein Kopfzerbrechen nötig hat, sondern nur den Geist der Buchstaben in den Füssen denkend fühlen lernen muss, und dass, wenn die Füsse erst geistig belebt sind, der übrige Leib von selber nachfolgt, während ohne diese Erweckung, und Empfindung des Ichs in den Füssen der Körper geistlos bleibt. Dies ist die „Feuertaufe“, welche nicht wie die Wassertaufe abwärts, sondern aufwärts geht und Fleisch, Knochen und Mark durchdringt. (Hebr. 4. 12).

 

Der Geist der Buchstaben, wenn er einmal im Inneren des Menschen lebendig geworden ist, ist wie ein lebendiges Feuer, das alles Unreine, Irdische und Sündhafte im Körper verzehrt.
(
Bhagavad Gita V, 38. Diese Wiedergeburt ist folglich nicht nur ein psychischer, sondern auch ein physischer Vorgang Lukas VII, 50.)

 

Die „Wassertaufe“ d.h. die Gedankentaufe, ruft gewisse Sensationen hervor. Wenn jemand von Rührung ergriffen ein kaltes Rieseln über den Rücken herab verspürt, die Haare sich sträuben und er sich sonderbar geistig umweht fühlt, so mag er denken, dass ihn Johannes getauft habe; aber nach Johannes kommt Christus, das innere Leben, welches mit Feuer tauft, das fängt in den Füssen an und ist nicht kalt, sondern brennt und verzehrt alles Unreine. Dann beleben sich geistig die Organe und es entstehen in allen Köperteilen „Zungen“ d.h. der ganze Leib, der vorher geistig ohnmächtig war, fängt an zu sprechen, wie wenn geschrieben steht: „Der mit der Zunge redet, der redet nicht den Menschen, sondern Gott; denn ihm höret niemand zu; im Geiste aber redet er die Geheimnisse (Johs. III,5).

 

Die neuen Zungen sind die in uns zum Bewusstsein gekommene geistige Tätigkeit aller Organe; denn der Geist des Menschen ist in allen Gliedern, Organen, Fleisch und Blut, Eingeweide und Knochen. So wie eine Orgel durch jedes Register anders lautet, so ist auch die Tätigkeit des Geistes in jedem Organ eine andere. Auch kann die einmal in einem Menschen erwachte geistige Kraft induktiv auf andere wirken und auf diesem Gesetz beruht die Initiation. Das innere Leben ist der Weg, weil ohne dasselbe niemand Gott kennen lernen kann; er ist die Wahrheit, weil nur das innere Leben die Stimme des Geistes ungebrochen wahrnehmen kann, es ist das wahre Leben; denn das irdische ist nur ein Scheinleben.

 

Das innere Leben in seiner Reife ist erhaben über Krankheit und Tod; es beruht, als das lebendige Wort Gottes auf nichts, als auf sich selbst. Das innere Leben ist Christus in uns, das erneute Ebenbild Gottes, das Geheimnis unserer Erlösung. (I. Korinther, XIV,2).

 

Es ist merkwürdig, dass man nach allem, was in der Bibel von „Christus in uns“ gesagt ist, nur dem historischen, äusserlichen Christus Wert und Bedeutung beilegt, und dem Gottmenschen im Inneren fast keine Beachtung schenkt.

 

Da man betet:“ Vater unser der du bist in dem Himmel“, und der Himmel in uns selber ist, so ist auch der Vater, Sohn und heilige Geist in uns. Wenn immer die göttlichen Kräfte im Menschen zu seinem Bewusstsein gelangen, so ist das Reich Gottes lebendig in ihm.

 

Ohne das innere Leben gibt es keine wahre Ruhe und Zufriedenheit. Ohne dieses Leben finden die Begierden und Wünsche des Menschen keine Rast. Mag der Reiz der Natur noch so gross sein, schöner und herrlicher als alle Erscheinungen ist die Kraft, die alle hervorbringt.

 

Die Natur vergeht, aber der Geist, der sie schafft, besteht in sich selbst (in seinem Ich) und kann nicht untergehen. (Bhagavad Gita, II, 12, 17, 28). An dieser Kraft sollte der Mensch mit seinem ganzen Herzen und mit allen seinen Begierden hängen; er sollte sie unablässig in Worte suchen, und nicht ablassen, bis der Geist aller Kräfte, die Buchstaben des Wortes sein Eigentum geworden (zu seinem Wesen geworden) sind. Dann wird er in dieser Kraft selbst mehr Befriedigung finden, als ein Mensch wünschen, fassen, wollen und verstehen kann.

 

Der eigentliche Götzendienst besteht darin, dass der Mensch nicht dem Schöpfer, sondern dem Erschaffenen, nicht die Kraft, sondern der Wirkung, nicht dem Wesen, sondern der Form Verehrung erweist.

 

Wer einem äusseren Dinge, einer einseitigen Idee oder Begierde anhängt, bis dieselbe in ihm in Fleisch und Blut übergegangen ist, der kann nicht zur wahren Weisheit gelangen; denn die Weisheit duldet keine Nebenbuhlerinnen; sie will Alleinherrscherin im Menschen sein. Deshalb ist das moderne Christentum zu einer blossen Formsache geworden, weil ihm der Geist, das Wort und das Wesen verloren gegangen ist, und es ausser der Gotteserkenntnis noch vieles andere sucht.

 

Die leibliche Wiedergeburt im Menschen ist des Menschen Sohn, und deshalb wird Jesus von Nazareth nicht nur ein Sohn Gottes, sondern ein Menschensohn genannt. Alles was der Mensch in seinem Innern durch seine zur Kraft gewordene Eigenschaft (Worte) erzeugt, sei es gut oder böse, wenn es in ihm Gestalt angenommen hat, ist es sein Sohn und sein natürlicher Richter, der kommen wird, ihn zu richten. Wer sein Leben im sinnlichen Genusse oder irdischen Bestrebungen findet, der wird das innere Leben nicht erlangen; wer aber seine irdischen Wünsche durch die Kraft des inneren Lebens besiegt, der hat das innere Leben gefunden.

 

Das äusserliche Leben besteht in vielerlei Bedürfnissen, Bestrebungen, vereitelten Hoffnungen und Enttäuschungen, in Kummer und Sorgen, deren der Mensch durch Zerstreuungen sich zu entledigen versucht und endet schliesslich im Tode. Das innere Leben ist die Wiedergeburt, das Reich Gottes in uns, welches den Himmel schafft.

 

Das Gosse Geheimnis vom Reich Gottes ist die Kunst, es zu erlangen, indem der Mensch die Sprachkräfte des ewigen Wortes in sich aufnimmt und sein inneres Leben daraus bilden lässt. Dieses Geheimnis wurde aus weislichen Gründen seit den ältesten Zeiten dem gemeinen Volke nur in Gleichnissen gelehrt. (Matth. VII, 6). Der geheime Name Gottes ist weder „Gott“ noch „Jehovah“ noch „Jupiter“ ; er ist die in Buchstaben sich bewegende Tätigkeit Gottes, seine Sprachkraft; er ist das innere Leben, das Wort.

 

Gott wirkt und schafft unablässig durch seine Bewegungen, und diese Tätigkeit ist seine Sprache, sein Name, sein allmächtiges Wort. Diese Bewegung der Kraft Gottes haben einen Charakter, einen Geist, und dieser Geist giesst sich zeugend in das Gemüt des Menschen, als in eine Stätte, wo er sich individualisieren kann, indem er den Menschensohn bildet. Wer nun der Einwirkung dieses Geistes sein Gemüt, den Sprachkräften Gottes den Zugang in sein Inneres verschliesst, in dem kann sich kein inneres Leben bilden, weder diesseits noch jenseits; er begeht die „Sünde gegen den heiligen Geist“, die ebensowenig „vergeben“ werden kann, als derjenige zu erretten ist, der jede Nahrung von sich weist.  Wer den Geist Gottes nicht in sich aufnimmt, der erlangt das innere Leben nicht. Er kann diesseits nicht glücklich werden und geht im Jenseits der Auflösung und Vernichtung entgegen.

 

Was der Mensch säet, das wird er ernten. Der gute erzeugt eine himmlische, der böse eine höllische Wiedergeburt in sich, aber von den Lauen, den geistlosen und Kraftlosen heisst es „ Sie sind weder kalt noch warm, ich will sie ausspeien aus meinem Munde.“

 

Die Kraft des Wortes ist der heilige Geist, welche denjenigen, die ihn aufnehmen, den Segen Gottes bringt und den Körper und die Seele gesund macht (es ist der Geist der Wahrheit, durch den der Mensch zur Selbsterkenntnis und zum inneren Leben gelangt). Nur derjenige, welcher den Geist besitzt, weiss was es heisst: Gott im Geiste und in der Wahrheit anzubeten. Wer nur in Gedanken zu Gott spricht, spricht nicht im Geiste zu ihm. Ohne inneres Leben und ohne innerliche Schauung kann der Mensch nicht wissen, was es heisst, „im Geiste sein“. 

(
Wir können nicht auf irgend eine andere Weise in den Geist Gottes kommen, als dass wir in diesen Geist eingehen und er in uns erwacht. Von demjenigen Geiste, dem sich die Seele (das Ich) hingibt, wird sie erfüllt, und dieser Geist wir zu ihrem Wesen. Damit, dass wir nur an diesen Geist denken, oder versuchen, ihn uns objektiv vorzustellen, ist wenig gedient; weshalb auch die Bhagavad Gita vom Anfange bis zum Ende lehrt, dass die Erkenntnis und Ausübung zusammengehen müssen, und die eine ohne die andere unvollkommen ist.)

 

Der Mensch soll mit Gott sprechen lernen; aber nicht mit der Universalgottheit, mit der er in keiner organischen Verbindung steht, sondern mit demjenigen Teile Gottes, der sein eigener Geist ist. Mit seinem Geiste sprechen heisst aber, die Bewegung des Geistes fühlen, und dieses Fühlen kann nicht anders geschehen, als durch innerliche wahrnehmbare Gestalten und Worte.

 

Man glaube ja nicht, dass „in den Füssen Buchstaben denken“ eine geistlose Arbeit sei. Im Gegenteil!  Es gibt keine mehr reingeistige Tätigkeit; denn der Mensch setzt dadurch vermöge seines freien Willens das grosse Gehirn in Tätigkeit und diese Tätigkeit muss das Gehirn bis in die Füsse fortpflanzen. Wenn jemand dreissig Jahre lang täglich nur eine Stunde mit eiserner Beharrlichkeit diese Übung gemacht hat, so wird er keiner Erklärung mehr bedürfen, sondern sich vielleicht getrieben fühlen das grosse Geheimnis des inneren Lebens auszusprechen und es anderen zu verkünden.   

 

 

Auszug aus der Schrift von

Dr. Franz Hartmann

"Mysterien Symbole und magisch wirkende Kräfte"

" Das ABC des innerlichen Lebens oder die Buchstabenlehre der Seele"

Entnommen aus einem Werke über das innere Leben von einem ungenannten Verfasser aus dem vorigen Jahrhundert.       

 

Falls gewünscht sende ich ihnen gerne eine PDF-Datei dieser Schrift