Ausser dem Adepten, von welchem im vorgehenden Kapitel die Rede war, stand H.P. Blavatsky schon von frühester Jugend an mit noch einem anderen Meister in Verbindung, der in der theosophischen Literatur später als „Mahatma Kut Humi“ bekannt wurde. Die Namen Morya und Kut Humi sind bereit in den Puranas (Vischnu Purana Buch IV Kap. 4 und 24 und Buch III Kap. 6) als die Namen von Rischis (Weltweise) und indischen Herrschern erwähnt. Von den Moryas, aus dem Geschlechte der Rajputs wird darin gesagt, dass sie dazu bestimmt seien, die Kschatrya (Krieger) Rasse wieder aufzurichten, was natürlich im esoterischen Sinne, als Streiter für Wahrheit und Licht, aufzufassen ist.

 

Nun ist von vielen gefragt worden, und wird noch recht oft gefragt werden: „Wenn die Adepten die Herrschaft der Wahrheit auf Erden wieder herstellen wollen, weshalb suchten sie sich dazu eine unbekannte Frauenperson aus? Weshalb wählten sie sich nicht zu ihrem Vertreter irgend eine Person von grosser wissenschaftlichen Berühmtheit, irgendeine anerkannte Autorität, die man in den Kreisen der Gelehrten unbedingt Glauben geschenkt hätte? Wäre nicht ein Max Müller, ein angesehener Universitätsprofessor, vielleicht auch ein Erzbischof von Canterbury, oder am Ende gar der Papst besser geeignet gewesen, um sich Gehör zu verschaffen. Wie kann etwas Gutes aus Nazareth kommen?“

 

Man könnte dagegen fragen:“ Wie kommt es dass Gott gerade aus Jakob Böhme einen Mystiker machte, da dieser doch nur ein Schuster war?“ oder : „Weshalb hat er sich seine Heiligen und Propheten nicht immer unter den Doktoren und Professoren und Autoritäten dieser Welt ausgesucht?“ Der Grund weshalb H.P. Blavatsky die Mission übertragen wurde, die Geheimlehre der Welt zu verkünden, ist, dass sie dazu tauglich war. Sie besass gerade diejenige seltene psychische Organisation, welche nötig war, um diese seelische Verbindung zwischen ihr und den Adepten möglich zu machen. Dies aber lässt sich dadurch erklären, dass diejenige Individualität, welche in der Person von Blavatsky verkörpert war, schon lange ehe Blavatsky geboren wurde, ein Schüler und Geistesverwandter jener Adepten und Mitglied ihres geistigen Kreises war; mit anderen Worten, in der Person von Blavatsky war ein Jünger der Meister (ein „Chela“) verkörpert, der bereits die zur Erfüllung seiner Mission nötigen psychischen Fähigkeiten besass, und in dem psychischen von Blavatsky das geeignete Werkzeug zur Ausführung seines Vorhabens fand.

 

Hierzu brauchte Blavatsky weder berühmt, noch gelehrt, noch eine Heilig zu sein, wohl aber musste sie Verstand und Willenskraft besitzen, und diese besass sie auch in ungewöhnlichem Grade.

 

In der Persönlichkeit von jedem von uns ist eine geistige Individualität inkarniert, ein höheres Ich, welches diejenigen Talente und Eigenschaften besitzt, die es in seinem früheren Dasein erworben hat. Deshalb kommt es auch täglich vor, dass ein Mensch in seinem Innern viel mehr Erkenntnis hat als er persönlich besitzt und die Intuition eines Menschen besteht gerade darin, dass dasjenige, was er geistig weiss und erkennt, zu seinem persönlichen Bewusstsein gelangt.  Wer in seinem früheren Leben ein grosser Arzt, Künstler, Musiker, Okkultist u.s.w. war, der wird im nächsten Leben als ein geborener Arzt, geborener Künstler u.s.w. wieder auf der Bühne des Lebens erscheinen. Ebenso entwickelten sich in der Person von Blavatsky nach und nach die Talente und Eigenschaften, die sich ihre Individualität in einem früheren Leben erworben hatte. Sie war eine Abgesandte der Meister und ihre Verbindung mit diesen hörte solange sie lebten nicht auf.

 

Auch beschränkte sich der Einfluss dieser und anderer, hier nicht erwähnten Adepten, nicht nur auf H.P. Blavatsky, sondern auch auf manche andere Personen, besonders auf solche, die mit Blavatsky in Verbindung standen, und von denen zu erwarten war, dass sie ihr in ihrem Werke hilfreich beistehen könnten. Manche von diesen, wie z.B. Col. Olcott, Damodar K. Malavankar und W.T. Brown trafen sogar mit diesen Meistern persönlich zusammen. Manche trafen mit ihnen in geistige Verbindungen, aber nur wenige waren fähig, dieselbe dauernd zu erhalten; bei den meisten regte sich schon nach kurzer Zeit der Eigendünkel, Grössenwahn und die Sucht nach Selbstverherrlichung und Herrschsucht, wodurch das Erhabene und Heilige zurückgestossen und diese Verbindung unwirksam gemacht wurde. Viele Beispiele hiervon stehen uns zur Verfügung. Ich will davon nur eines, das folgende erwähnen: V.S. Solovyoff, der ehemalige Busenfreund und spätere Verleumder von H.P. Blavatsky schreibt in „A modern Priester of Isis, S 79“:

 

„ Ich schloss meine Türe und ging schlafen. Plötzlich wachte ich auf, oder, was wahrscheinlicher ist, ich träumte, oder bildete mir ein, dass ich durch einen warmen Hauch aufgeweckt werde. Ich befand mich in meinem Zimmer, und vor mir, im Halbdunkel, stand eine hohe, in Weiss gekleidete, menschliche Gestalt. Ich fühlte eine Stimme, welche mir, ich weiss es nicht wie, oder in welcher Sprache, gebot, das Licht anzuzünden. Ich war nicht im geringsten erschrocken oder überrascht. Ich zündete die Kerze an, und sah nach meiner Uhr. Es war zwei Uhr.

 

Die Erscheinung verschwand nicht. Vor mir stand ein lebender Mensch und dieser Mensch war augenscheinlich kein anderer, als das Original des wunderbaren Porträts, welches ich gesehen hatte; ein genaues Ebenbild desselben (siehe Teil eins, also Mahatma Morýa). Er setzte sich auf einen Stuhl neben mich, und sprach zu mir in einer mir unbekannten, aber dennoch verständlichen Sprache, von verschiedenen Angelegenheiten, die mich betrafen. Unter anderem sagte er mir, dass, um die Fähigkeit zu erlangen, ihn in seinem Astralkörper zu sehen, ich durch gewisse Vorbereitungen hätte gehen müssen, und dass ich grosse magnetische Kräfte besässe. Ich fragte ihn, wie ich diese anwenden sollte; aber da war er verschwunden. Ich dachte, dass ich ihm nachsprang, aber die Türe war verschlossen. Die Idee kam mir, dass dies eine Halluzination gewesen sei, und dass ich verrückt würde; aber da war Mahatma Morýa wieder an derselben Stelle; er bewegte sich nicht; er hielt seinen Blick auf mich gerichtet, geradeso, wie es auf mein Gehirn beeindruckt war. Er schüttelte sein Haupt und sprach in derselben lautlos eingebildeten Sprache der Träume: „ Sei versichert, dass ich keine Hallucination bin, und dass dein Verstand dich nicht verlässt.“

 

Er verschwand. Ich sah auf meine Uhr, und es war nahezu drei Uhr. Ich löschte das Licht aus und schlief sogleich wieder ein.

 

Ich erwachte um zehn Uhr und erinnerte mich an alles ganz genau. Die Tür war verschlossen; es war mir unmöglich, der Kerze anzusehen, ob sie während der Nacht gebrannt hatte, da sie schon vorher gebraucht worden war. Im Frühstückszimmer traf ich Miss A. Wir gingen zu Gebhards. Madame Blavatsky begegnete uns und fragte, wie mir schien, mit einem bedeutungsvollen Lächeln: „Nun! Wie haben sie geschlafen?“

 

„Sehr gut,“ antwortete ich, und fügte gedankenlos hinzu: „ Haben sie mir nichts zu sagen?“

 

„Nichts Besonderes“ sagte sie, „ ich weiss nur, dass der Meister letzte Nacht bei Ihnen zum Besuche war.“

 

Oberflächlich urteilende und unerfahrene Menschen werden aus dieser Beschreibung nichts anderes sehen, als dass der Betreffende einen lebhaften Traum hatte; ich erblickte darin ein Zeugnis, bis zu welchem Grade die Zweifelsucht den Menschen blind machen kann.

Es ist klar, dass man das „Traumbild“ (Mayavirupa) eines anderen Menschen nicht anders als mit dem inneren Auge sehen kann.  Dass aber dieses Traumbild kein dem eigenen Gehirn entsprungenes war, ist durch die begleitenden Umstände bewiesen.

Ich selbst habe solche Erscheinungen zu wiederholten Malen gesehen. Ich war mehr als einmal zugegen, wenn ein Meister in Blavatskys Zimmer war und mit ihr sprach. Ich konnte ihn aber nicht sehen, und musste mir deshalb von Blavatsky Bemerkungen gefallen lassen, und bei anderen Gelegenheiten wurden mir, selbst wenn Blavatsky abwesend war, solche Besuch zu teil, die ich klar und deutlich sah, und von denen mir niemand glauben machen könnte, dass es von mir selbst erzeugte Traumbilder waren.

 

Auch hat es in dieser Beziehung nicht an handgreiflichen Beweisen , die noch jetzt in meinem Besitze sind , gefehlt, und schliesslich ist es nichts Ausserordentliches dass man einen Unbekannten im Wachtraume oder im Halbschlummer sieht, und dieselbe Person später im Leben persönlich kennen lernt. Einige von meinen Erfahrungen mit „okkulten Phänomenen“ wurden im Jahre 1884 in der Monatsschrift “The Theophist“ in Madras veröffentlicht; ich ziehe es aber vor, mich in allem, was die Adepten betrifft, auf das Zeugnis anderer zu berufen, als von mir selbst zu sprechen.

 

Dem Präsidenten der „Theosophischen Gesellschaft“ H.S. Olcott, erschien einer der Meister in New York, obgleich sich dieser Meister zur selben Zeit in Asien (Tibet) befand. Die Erscheinung des Adepten sprach mit Olcott, nahm ihren Turban ab und gab ihm denselben zum Andenken, und noch heute führt Olcott auf seinen Reisen diesen Turban mit sich und zeigt ihn gelegentlich bei seinen Vorträgen vor.  Ob er aber damit irgend einen Gläubigen überzeugen kann, dass es Adepten gebe, dies will ich nicht behaupten.

 

Domodar K. Mavalankar, ein junger Inder, der in Adyar am Hauptquartier der Theosophischen Gesellschaft wohnte, als ich mich dort befand, hatte die Fähigkeit, seinen Körper zu verlassen und in seinem Astralköper Besuche zu machen. Eines Tages wurde ihm gestattet, auf diese Weise die Wohnung des Meisters Kut Humi zu besuchen, und er berichtet darüber folgendes:

 

„Während meiner Anwesenheit in Lahore empfing ich drei Besuche des Meisters in seinem physischen Körper. Jeder dieser Besuche dauert ungefähr drei Stunden; ich war bei vollem Bewusstsein und einmal ging ich ihm ausserhalb des Hauses entgegen. Er, den ich in Lahore körperlich sah, war derselbe den ich in Adyar in seinem Astralkörper gesehen hatte, und auch derselbe, den ich in meinen Träumen und Visionen in seinem Hause, Tausende von Meilen entfernt, in meinem Astralkörper besucht hatte. Bei diesem Astralbesuch hatte ich ihn, da meine psychischen Kräfte nur erst wenig entwickelt waren, nur in einigermassen nebelhaften Form gesehen, obgleich seine Gesichtszüge ganz deutlich erkennbar waren, aber nur in Lahore war dies anders.

 

Wenn ich ihn in seiner Astralform berührte, so ging meine Hand durch denselben hindurch; aber jetzt berührte sie materielle Kleider und lebendiges Fleisch.  Hier sah ich einen lebendigen Menschen vor mir, der die mir bekannten Gesichtszüge hatte, und dessen Porträt ich oft in Madame Blavatskys Besitz gesehen hatte. …….. In Jummu hatte ich das Glück, dass es mir erlaubt wurde, ihn zu besuchen und ich blieb dort einige Tage in Gesellschaft verschiedener Mahatmas vom Himalaya und ihren Jüngern…..“   

 

Selbstverständlich beweisen diese Erzählungen dem Skeptiker nichts.  Es gibt keine Erfahrung, wenn sie auch von tausenden von Zeugen , die sie gemacht haben bezeugt werden kann, die nicht diejenigen, welche sie nicht erfahren haben, ableugnen und zu ihrer Erklärung irgend eine Betrugstheorie erfinden können. Wir leben in einer Welt, in der vieles verkehrt ist. Vieles was für Sinnestäuschung oder Betrug gehalten wird, ist unverstandene Wahrheit und vieles, was allgemein für wahr gehalten wird, ist Täuschung oder Betrug.

 

Niemand kann eine Wahrheit mit Bestimmtheit erkennen, solange er von ihr selbst keine Erfahrung hat. Selbst die eigenen uns innewohnenden Kräfte können wir erst dann erkennen, wenn wir die Fähigkeit erlangt haben, sie zu gebrauchen. Wenn ich von Adepten und okkulten „Phänomenen“ spreche, so hat dies keinen anderen Zweck, als darauf hinzuweisen, dass es noch Dinge gibt, die nicht allgemein bekannt, aber wohl geeignet sind, die Aufmerksamkeit auf eine andere und höhere Art von Naturgesetzen, als die bereits bekannten, zu lenken. Eines derjenigen Phänomene, welche mich besonders überraschten, war folgendes:

 

„Am 20. Februar 1884 reiste Blavatsky nach Europa ab. Ich begleitete sie nach Bombay, und nachdem das Schiff abgefahren war, kehrte ich vom Hafen in die Stadt zurück. Ich hatte durch ihre Vermittlung ein gewisses tibetanisches Kleinod mit einer Inschrift in tibetanischer Sprache erhalten, das ich sehr hoch schätzte, und ich nahm mir vor, dasselbe bei mir beständig zu tragen. Hierzu bedurfte ich einer kleinen Kette. Ich besuchte ein paar Juwelierläden, konnte aber keine passende goldene Kette finden, und eine silberne konnte ich nicht brauchen , da dieselbe bei dem Salzwassergehalt der Luft an der Meeresküste zu leicht Chlorsilber angesetzt hätte. Ich ging in mein Quartier zurück, das aus einem saalähnlichen grosse Zimmer bestand, und indem ich in demselben auf und ab spazierte, kam mir der Gedanke, dass wohl in Ermangelung einer Kette ein seidenes Band das beste wäre.

 

In demselben Augenblicke sah ich etwas vor mir, in der Luft flattern.  Das Ding fiel vor meine Füsse und als ich es aufhob fand ich, dass es ein rosafarbenes seidenes Band war, nagelneu von der richtigen Länge, und die Enden waren bereits so gedreht, dass ich weiter nichts zu tun hatte, als das Kleinod daran zu befestigen. Dieses Band war jahrelang in meinem Besitz.

 

Es wäre ein Leichtes, Bände zu füllen mit Erzählungen von „okkulten Phänomenen“ , die sich entweder in meiner Gegenwart oder mit anderen ereignet haben; aber nicht nur würden solche Erzählungen nichts beweisen, sondern sie würden am Ende unter einer gewissen Klasse von Leuten den Glauben erwecken, dass ein Mahatma nichts besseres tun könnte, als okkulte Phänomene zu machen, Hokus Pokus zu treiben, verloren Strumpfbänder wiederzubringen zerbrochene Kaffeetassen zu flicken u. dergl. was ebenso vernünftig wäre , als wenn man glauben wollte, die Lebensaufgabe eines Staatsministers bestehe darin, Champagner zu trinken, oder der Zweck eines Musikdirektors sei es, mit dem Taktstock in der Luft herumzufuchteln, um das Publikum durch gymnastische Übungen in Erstaunen zu versetzen. Es ist nun einmal so in der Welt, dass die Menschen, und vor allem die „Klugen“, stehts nur das oberflächliche sehen. Das Nebensächliche halten sie für die Hauptsache, das Wesentliche aber beachten sie nicht.  Nichts hat die „Theosophische Gesellschaft“ in den Augen des Publikums so lächerlich gemacht, als das grosse Geschrei das die „Theosophisten“ wegen ihren okkulten Phänomenen erhoben haben, und ich kann dem Taschenspieler Hermann nicht böse dafür sein, dass er eine Puppe die er „Mahatma Kut Humi“ nannte hundert Abende nacheinander in Philadelphia auf der Bühne erscheinen und den Theophisten zum Spott Kunststücke aufzuführen, z.B. eine Taschenuhr apportieren liess. Natürlich machte er damit nicht die Adepten, sondern den Unfug, der mit ihrem Namen getrieben wurde, lächerlich. Den unverständigen Kritikern und auch den böswilligen Verleumdern von H.P. Blavatsky ist es zu danken, dass ein gesunder Unglaube  unter denjenigen Platz griff, welche für diese Dinge kein Verständnis hatten und sonst leicht durch ihre Sucht nach dem Wunderbaren in einen krankhaften Mysticismus und Aberglauben verfallen wären.

 

Ich glaube auch darin das Werk der Meister zu erkennen, welche wohl wissen, dass der Zweifel ein notwendiges Mittel ist, um durch eigenes Nachdenken zur Selbsterkenntnis zu kommen, und die Bocksprünge einer ungezügelten Phantasie zu mässigen. Der grosse Genius, der durch die Person von Blavatsky offenbar wurde, kann durch kein theoretisches Geschwätz berührt werden, und wenn auch Blavatsky persönlich unter den Angriffen des Unverstandes litt, so waren ihre Feinde doch gewissermassen ihre unfreiwilligen Mitarbeiter, denn sie trugen das ihrige dazu bei, die Welt auf die uralten Lehren der Wahrheit aufmerksam zu machen, und mehr als dies hat weder Blavatsky noch irgend einer ihrer Nachfolger jemals verlangt.

 

Gross ist die Torheit derjenigen, welche die Glaubwürdigkeit eines Lehrers verdächtigen, der gar keinen blinden Glauben beansprucht, sondern nichts weiter verlangt, als dass diejenigen, welche sich für die Lehren der weisen interessieren, dieselben selbst prüfen und zu eigenen Anschauung gelangen sollen. Es ist die alte Geschichte: der Kampf der Selbsterkenntnis gegen den Gelehrtendünkel und Autoritätswahn.

 

Es handelt sich nicht darum, an das Dasein Gottes zu glauben, weil irgend ein Mensch auf dessen Glaubwürdigkeit man sich verlassen zu können meint, behauptet hat, dass es einen Gott gäbe, sondern sollte jeder danach streben, selbst in seiner eigenen Person Gott zu erkennen und selber ein lebendiges und sprechendes Zeugnis für das Dasein Gottes (der Wahrheit) zu sein. Desgleichen handelt es sich auch nicht darum, in der Phantasie für äusserliche Meister in Tibet oder sonstwo zu schwärmen, oder von diesen besondere Vergünstigungen zu erwarten, sondern die Hauptsache ist, dass jeder seine Aufmerksamkeit darauf richten sollte, dass die Weisheit des Meisters in ihm selbst offenbar wird.  

 

Damit ist nicht gemeint, wie dies von gewissen Seiten aufgefasst wurde, dass man „die Lehre annehmen und die Lehrer ignorieren solle“. Die Ehrfurcht, die ein Schüler seinem Lehrer entgegenbringt, geht aus der Erkenntnis seiner Lehren hervor. Wer eine Wahrheit verkündet, verdient die höchste Achtung aller Menschen; aber die Respektabilität eines Lehrers beruht auf seiner Erkenntnis der Wahrheit und nicht die Wahrheit auf des Lehrers Respektabilität.

 

Solange Blavatsky lebte hat sie gegen den Autoritätendünkel gekämpft und versucht, ihren Schülern zu helfen, über dieselben hinauszuwachsen und zur Theosophie d.h. zur Selbsterkenntnis zu kommen. Sie hat weder ein blindgläubiges Annehmen ihrer Lehren, sondern dieselben als Probleme zum eigenen Forschen und eigenen Denken hingestellt; aber sie wurde nur von wenigen verstanden, weil die meisten, besonders aber die Gelehrten, kein anderes Wissen kennen, als was aus dem Hörensagen und Autoritätsglauben entspringt, und ihnen die Bezeichnung „ Selbsterkenntnis“ ein Wort ohne Begriff ist, weil sie selbst keine eigene Erkenntnisfähigkeit haben.

 

Auch hat man sich über die „Echtheit“ ihrer okkulten Phänomene ganz unnötigerweise ereifert, denn es hat sich noch niemals um einen wissenschaftlichen Beweis von deren Echtheit gehandelt, und es hat noch niemand einen blinden Glauben an dieselben verlangt.

 

Der Zweck derselben war, auf die Möglichkeit des Vorhandenseins noch unbekannter Kräfte hinzuweisen und die eigene Forschung anzuregen, und diesen Zweck hätten sie am Ende auch, selbst wenn sie „unecht“ gewesen wären erfüllt.

 

Tatsächlich zerfielen diese Phänomene in zweierlei Klassen: Erstens in solche, wodurch irgend jemandem, der darum fragte, ein Rat oder eine Lehre erteilt wurde, wozu die „okkulten Briefe“ gehören, und zweitens eine solche, welche gewöhnlich als „physische Manifestationen“ (Glockenklingel in der Luft, Klopftöne, Fortbewegung von Gegenständen durch unsichtbare Mittel u. dergl.) bezeichnet werden.

 

Was die erstere Klasse betrifft, so sollte man glauben, annehmen zu dürfen, dass ein vernünftiger Mensch den Wert eines Ursprung eines Briefes eher nach dessen Inhalt, als nach der Art, wie er denselben erhält, beurteilen wird. Durch die übrigen Phänomene war aber nichts zu „beweisen“ und wer die tiefe Ehrfurcht, wenn nicht Vergötterung kennt, welche sie ihren Meistern entgegenbrachte, der wird es überhaupt für undenkbar halten, dass sie die Namen derselben zu irgend einem Zweck missbrauchte. Dies wäre für sie gleichsam eine Gotteslästerung und ewige Verdammnis gewesen.

 

Ohne okkulte Phänomene wäre Blavatskys Mission schwerlich geglückt. Es ist schwer, neuen Ideen Eingang zu verschaffen, wenn die Aufmerksamkeit nicht durch äusserliche Mittel angeregt wird. Achzig Jahre dauerte es ehe Schopenhausers Philosophie in Deutschland Eingang fand, und die Werke der besten Mystiker (Jakob Böhme, Eckhart, Paracelsus, Eckhartshausen, Jane Leade u.s.w.) sind noch heute nur wenigen bekannt. Hätte Blavatsky als einfache Schriftstellerin philosophische Werke verfasst, und sich jemals ein Verleger dafür gefunden, so hätte es wohl lange gedauert, ehe ihre Schriften bekannt geworden wären. Die okkulten Phänomene setzen die Welt in Erstaunen. Sie waren für die „Theosophie“ ungefähr dasselbe, was für die Religion das Glockengeläute ist, wenn die Gläubigen zur Andacht versammelt.  Niemand wird so töricht sein, das Glockengeläute mit der Religion zu verwechseln oder seinen Glauben an die Religion davon abhängig zu machen, dass man ihm beweise, dass das Glockengeläute auf eine Übernatürliche Weise hervorgebracht worden sei.

 

Viele von diesen Phänomenen gingen aus Blavatskys eigener psychischer Kraft hervor; andere hatten ihren Ursprung augenscheinlich in der Gegenwart anderer, für uns unsichtbare Wesen. Das wunderbarste Phänomen letzterer Art war zweifellos ihre plötzliche Genesung während einer schweren Krankheit, nachdem eine solche von den besten medizinischen Autoritäten für unmöglich erklärt worden war. Dies fand in zwei Fällen statt; das erste Mal in Adyar, wo ich selbst gegenwärtig war. Blavatsky war sterbenskrank, und Frau Cooper – Oakley und ich wachten abwechselnd nachts an ihrem Bette. Eine Konsultation von Professoren und Ärzten ergab das Resultat, dass sie keine zwölf Stunden mehr leben könne. Am nächsten Morgen nach diesem Todesurteil war sie völlig gesund. Dies war gegen das Ende März 1885; am ersten April dampfte sie mit mir nach Europa ab. Sie sagte, dass in der betreffenden Nacht ihr der Meister erschienen sei und ihr neue Lebenskraft mitgeteilt hätte.

 

Dasselbe wiederholte sich in Ostende in Gegenwart von Gräfin Constance Wachtmeister und anderen. Die Gräfin schreibt darüber wie folgt (in Wachtmeister Reninicenses):

 

„H.P. Blavatsky war in einem Zustande von Lethargie. Stundenlang schien sie bewusstlos zu sein, und nichts konnte sie zu sich bringen….. Der belgische Arzt erklärte, dass er noch nie von einer so schweren Erkrankung der Nieren gehört hätte, wobei der Patient solange ausgehalten hätte, und dass nichts mehr geschehen könne, um sie zu retten. Alle Hoffnung sei vergebens.“    

 

Die Gräfin beschreibt dann die schmerzlichen Empfindungen, die ihr der herannahende Verlust von Blavatsky verursachte, und wie sie, von Müdigkeit übermannt, in deren Zimmer einschlief. Sie fährt fort:             

 

„Als ich meine Augen öffnete, war die Morgendämmerung angebrochen und es kam mir die Angst, dass am Ende Blavatsky gestorben wäre, während ich hätte wachen sollen. Erschrocken wandte ich mich nach dem Bette, und da sah ich Blavatsky, die mich ruhig mit ihren klaren Augen betrachtete. Sie gebot mir näher zu treten. „Was ist geschehen?“ fragte ich sie. „ Sie sehen so ganz verändert aus?“ Sie antwortete: „ Ja, der Meister war hier. Er gab mir die Wahl, entweder zu sterben und frei zu sein, oder noch länger zu leben und die Geheimlehre zu vollenden. Er sagte mir wieviel ich noch zu leiden hätte, und was mir schreckliches in England bevorstehe; aber als ich an diejenigen, denen ich noch einiges lehren darf und an die theosophische Gesellschaft dachte, der ich mein Herzblut gewidmet habe, nahm ich das Opfer an; und nun, um die Sache kurz zu machen, bringen sie mir Kaffee und etwas zu essen, und meinen Tabakskorb…“ Als der Arzt kam war er ausser sich und rief einmal über das andre aus: „ Mais c´est inoui! Madame aurait du mourrir!“…..

 

Häufig wurde sie von unsichtbaren Händen, die mitunter wohl auch sichtbar wurden, bedient; aber es ist zwecklos, uns bei diesen Dingen aufzuhalten, die ja in der Geschichte der okkulten Wissenschaften hinreichend bekannt sind. Die Geschichte der „Seherin von Prevost“, der heiligen Crescentia von Kaufbeuren und hundert anderer Erzählungen von solchen Dingen, die auch jetzt noch alltäglich vorkommen und jedem bekannt sind, der sich dafür interessiert.

 

Wer seine eigene Menschennatur mit seinen eigenen verborgenen Kräften nicht kennt, dem wird auch H.P. Blavatsky ein Rätsel bleiben. Ihre Phänomene konnten und sollten nichts weiter tun, als bezeugen, dass sie die Fähigkeit hatte, dieselben zu verursachen.  Aber auch aus Ihren Schriften können wir kein Urteil über sie fällen; denn ferne davon, sich als eine Gelehrte oder Prophetin oder „Priesterin der Isis“ hinstellen zu wollen, behauptete sie vielmehr selbst, dass sie für alles, was sie schrieb, Amanuensis gewesen sei, dass es ihr die Meister gelehrt, gezeigt und mitgeteilt hätten, und dass sie nichts weiter dabei zu tun hatte, als das Mitgeteilte zu ordnen und wiederzugeben.

 

„Du bist sehr einfältig“, sagte sie zu ihrer Nichte Vera Jelihoffsky , „wenn du glaubst, dass ich alles was ich schreibe, tatsächlich weiss und verstehe. Wie oft muss ich dir und deiner Mutter wiederholen, dass mir diese Dinge diktiert werden, und dass ich oft Manuskripte, Zahlen und Worte vor meinen Augen habe von denen ich nichts wusste.“

Diese Manuskripte erschienen ihr aber nicht nur im Astrallichte, sondern kamen sehr oft „auf unerklärliche Weise“ in greifbarer Form, nicht nur in ihrem Zimmer in Adyar, Würzburg, Ostende und London, sondern auch während der Reise auf offener See. Wer aber als ein Meister dieser Wissenschaft hätte ihr wohl alles Material, aus dem ihre „Geheimlehre“ zusammengesetzt ist, verschaffen und sie in diesen Dingen unterrichten können? Ihr Werk bedarf keines anderen Zeugnisses als seines Inhalts, um zu zeigen, dass es das Werk eines Meisters ist, dessen intelligentes Werkzeug Blavatsky war. Dies ist aber auch alles, was sie selbst behauptete zu sein, und alle diejenigen, die nicht fähig sind, hinter den Vorhang zu blicken und dem Meister zu sehen, werden sich vergeblich den Kopf darüber zerbrechen, woher H.P. Blavatsky ihre Wissenschaft nahm. Ich möchte sie vergleichen mit einem Meteor.

 

Die einen sehen ihn auf dem Felde liegen und beachten ihn nicht; andere finden in ihm sonderbare Eigenschaften, die sie sich nicht erklären können, weil sie nicht wissen woher er kommt und auch nicht glauben können, dass Steine vom Himmel fallen, da doch, wie sie sagen keine Steine im Himmel sind; aber wieder andere sehen ihn leuchten und blitzen und fallen, und erkennen in ihm die Kunde, die er ihnen aus jenen Regionen bringt, welche den armseligen erdgebundenen Bewohnern dieses Planeten nicht zugänglich sind.

 

Damit sind wir aber wieder bei dem bereits erwähnten Schlusse angelangt, das H.P. Blavatsky ein „Chela“ oder Jünger der Meister war, und diese Skizze wäre nicht vollständig, wenn wir nicht das Verhältnis berühren würden, das zwischen diesen Meistern und diesen Jüngern besteht. H.P. Blavatsky sagt darüber folgendes:

 

„Wenn ein erleuchtungsfähiger Mensch darauf Anspruch macht, als Jünger eines Meisters angenommen zu werden, so muss er stehts die Vereinbarung eingedenk sein, die entweder schweigend oder formell zwischen ihm und dem Meister stattgefunden hat und niemals vergessen, dass ein solches Gelöbnis heilig ist.

 

Es gilt dabei eine siebenjährige Prüfungszeit. Wenn er während dieser Zeit seinem erwählten Meister und der von den Meistern ins Dasein gerufenen Gesellschaft durch alle Versuchungen treu bleibt, wobei aber die vielen kleinen menschlichen Schwächen und Fehlern (mit Ausnahme von zweien die ich nicht öffentlich nennen will) nicht in Betracht kommen so kann er in……. (Die „Einweihung“ besteht nicht in einer äusserlichen Komödie, sondern in einer innerlichen Erweckung und Eröffnung der inneren Sinne, wodurch er in einen sichtbaren Verkehr mit Wesen tritt, die ihm vorher unsichtbar waren. Die „Gesellschaft“, welche er treu bleiben soll, ist die „Theosophische Gesellschaft“, und man kann ihr nicht anders treu bleiben, als dass man an ihrer Verfassung festhält, selbst wenn alle „Leiter“ oder „Präsidenten“ derselben entgegen handeln.) eingeweiht werden und von nun an direkt mit seinem Guru verkehren. Seine Fehler können ihm nachgesehen werden; sie gehören seinem zukünftigen Karma an. Dem Meister ist es anheimgestellt zu beurteilen, ob während dieser Prüfungszeit der Kandidat, trotz seiner Irrtümer und Sünden, gelegentlich (äusserliche) Zeichen oder Ratschläge erhalten soll.

 

„ Der Meister, welcher die  Ursachen und Beweggründe genau kennt, welche den Kandidaten zu Begehungs – und Unterlassungssünden verleitet haben, ist allein befähigt darüber zu urteilen, ob der angehende Jünger ermutigt werden soll; er allein hat das Recht, darüber zu entscheiden, denn er selbst ist dem unerbittlichen Gesetze des Karma unterworfen, welchem niemand, von einem Zulukaffer angefangen, bis hinauf zum höchsten Erzengel, entwischen kann.

 

„Die erste und unvermeidliche Bedingung ist somit, dass der Kandidat währen der Prüfungszeit dem von ihm gewählten Meister und seinen Zwecken treu und ergeben bleibt. Ich sage dies nicht aus Eifersucht, sondern aus dem einfachen Grunde, dass, je öfter die magnetische Verbindung zwischen beiden gebrochen wird, es umso schwieriger ist, dieselbe wieder herzustellen, und man kann nicht verlangen, dass die Meister ihre Kräfte vergeuden, um mit denjenigen wieder anzubinden, deren künftig Laufbahn und schliessliche  Abtrünnigkeit sie voraussehen. Aber wie viele von Denen, die Gunstbezeugungen im Voraus erwarten, und deren Wünsche nicht erfüllt werden, machen dies den Meistern zu Vorwurf, anstatt die eigene Schuld zu erkennen. Sie brechen die Verbindung zehnmal im Jahre und wollen sie stehts wieder hergestellt haben. …..

 

„Aber zu jenen, welche unzufrieden sind, obgleich ihnen niemand etwas versprochen hat, und die Gesellschaft niemals „Meister“ zur Preisverteilung für ein gutes Verhalten angeboten hat, sondern einem jeden versicherte, dass alles von seinem eigenen Verdienste abhängig ist, zu diesem möchte ich sagen: „Habt ihr eure Pflicht und Versprechen erfüllt? Habt ihr, die ihr die Meister, die Verkörperungen der Barmherzigkeit, Duldsamkeit, Gerechtigkeit und Liebe, beschuldigt, euch nicht hinreichend bevorzugt zu haben, habt ihr ein heiliges Leben geführt und die euch auferlegten Bedingungen erfüllt?“

 

Wer in seinem Herzen und Gewissen aufrichtig sagen kann, dass er niemals einen ernstlichen Fehltritt gemacht, niemals des Meisters Weisheit bezweifelt, niemals, in seiner Ungeduld, okkulte Kräfte zu erlangen, nach einem anderen Meister oder Meistern gesucht hat, niemals seine Pflichten als Theosoph in Gedanken oder Handlungen verletzt hat, der möge andere als sich selber beschuldigen. Aber hierzu wird schwerlich jemand befähigt sein.

 

Während der elf Jahren des Bestehens der theosophischen Gesellschaft habe ich von den zweiundsiebzig „Chelas“, die regelrecht als Kandidaten zur Prüfung  angenommen wurden, und unter den Hunderten von Aspiranten, nur drei gefunden, die bis jetzt noch nicht das Spiel verloren haben und nur einen einzigen, der ganzen Erfolg hatte. Niemand wird zur Jüngerschaft genötigt, keine Versprechungen werden geäussert, nichts bindet, als das Herzbündnis zwischen dem Jünger und Meister.

 

„Wahrlich! Viele sind berufen, aber wenige auserwählt; denn nur wenige haben die Geduld bis zum Ende auszuharren, weil ihnen einfach Ausdauer und Einheitlichkeit des Zweckes nicht schmeckt. Wie könnte man glauben, dass jemand schon deshalb ein Theosoph nach dem Herzen des Meisters ist, weil er vielleicht ein Vegetarier ist? Eine Kuh ist dies ebenfalls. Oder besteht seine Theosophie darin, dass er nach einer ausgetobten Jugend ein Junggeselle geblieben ist, oder dass er die „Bhagavad Gita“ oder die „Yoga – Philosophie“ das Untere zuoberst, studiert? Es ist nicht die Kutte die den Mönch macht, lange Haare und ein träumerisch schmachtender Blick machen noch keinen Jünger der Weisheit.  

Blickt umher und sehet euren sogenannten „Universalbruderbund“. Sehet die „Theosophische Gesellschaft“, welche zu dem Zwecke gegründet wurde, die schreienden Übel der Christenheit zu verbessern, Bigotterie und Intoleranz, Heuchelei und Aberglauben zu vertreiben, und wahre Liebe nicht nur für die ganze Menschheit sondern für alle Geschöpfe zu verbreiten. Was ist aus ihr in Europa und Amerika geworden? Nur in einer einzigen Sache haben wir verdient besser zu erscheinen als die christlichen Sekten, die zur Verherrlichung der Brüderlichkeit einander töten, und aus Liebe zu Gott einander wie Teufel bekämpfen, nämlich wir haben uns alle Dogmatik vom Halse geschafft, und versuchen nun weislich und gerecht auch noch den letzten Schatten eines selbst nur nominellen Autoritätswesens abzuschaffen.

 

Aber in jeder anderen Beziehung sind wir gerade so wie die übrigen. Überall Klatschsucht, Verleumdung, Übelwollen, Nörgelei, Besserwissen, Rechthaberei, Kriegsgeschrei und gegenseitige Beschuldigungen, so dass die christliche Hölle selbst darauf stolz sein könnte. Und an allem diesen sollen am Ende noch die Meister schuld sein, weil sie nicht denjenigen beistehen wollen, welche anderen den Weg zur Erlösung und Freiheit vermittelst Fusstritten und Skandalen weisen. Wahrlich!  wir sind ein herrliches Beispiel für die Welt und gelungene Gefährten für die heiligen Asketen in den Schneegebirgen des Himalaya“.

 

Aber an diesen Zuständen die heute in Europa ebenso schlimm sind, als sie es jemals in England oder Amerika waren, sind weder die Heiligen des Himalaya, noch die Verfassung der „Theosophischen Gesellschaft“ noch die Theosophie, sondern vielmehr der Mangel an wahrer Weisheit schuld, und dessen Ursachen ist die Unvollkommenheit der menschlichen Natur, sowie sie heutzutage, als das Produkt der modernen Zivilisation, erscheint. Wir leben in einem Zeitalter des Rationalismus, der eine Ausgeburt des Egoismus ist, und ohne diesen nicht bestehen könnte. Der Egoismus aber ist der Feind der uneigennützigen Liebe, welche die alleinige Quelle der wahren Erkenntnis ist.  Mit dieser Liebe ist auch die Erkenntnis des höchsten und allgemeinen Ideales verloren gegangen, und nun schafft sich jeder in seiner Phantasie sein eigenes Idol, und verlangt, dass alle anderen sich demselben beugen. Nicht auf dem Kampf um selbstgeschaffene Götzenbilder, noch auf dem Streit um die Rechthaberei dieser oder jener Autoritäten, noch auf dem Glauben auf das Dasein tibetanischer Adepten oder an die Echtheit okkulter Phänomene und auch nicht auf dem Fürwahrhalten der in der „Geheimlehre“ dargelegten Theorien, sondern auf der Erkenntnis der Einheit und Allgegenwart Gottes in allen Geschöpfen und Erscheinungen beruht die „Theosophie“ und die Harmonie der Gesellschaft welche Blavatsky gegründet hat. Aber es wäre weit gefehlt, wenn wir glauben wollten, dass Blavatsky nur deshalb unter uns erschienen sei, um eine sogenannte „Theosophische Gesellschaft“ zu gründen, und dass das Heil der Welt von deren Erfolg abhängig sei. Das Licht, welches durch Blavatsky verbreitet wurde, ist nicht das Eigentum irgend eines Vereins; es gehört der ganzen Menschheit an.  Es ist bereits in weite Kreise gedrungen, und wird fortfahren sich zu verbreiten, selbst wenn die ganze sogenannte „Theosophische Gesellschaft“ zu Grunde geht. Diese Gesellschaft sollte für dieses Licht eine Leuchte sein. Ob sie noch weiter diesen Zweck erfüllen, und ob aus ihr eine Gesellschaft von wirklichen Theosophen entstehen wird, dies muss die Zukunft lehren.  Was H.P. Blavatsky und ihren Meistern zu wissen von Wichtigkeit ist, sind nicht ihre persönlichen Eigenschaften, sondern die uralten Lehren der Weisheit selbst, welche im Laufe der Zeit nahezu in Vergessenheit geraten waren, und durch sie wieder ins Gedächtnis der Menschheit zurückgerufen wurden. Die hauptsächlichsten dieser Lehren sind die Erklärungen über die Konstitution des Weltalls im allgemeinen und des Menschen im besonderen , die Stellung, welche der Mensch im Weltall einnimmt, seine Herkunft, der Zweck seines Daseins, sein Verhältnis zu Gott, zur Natur und zu sich selbst; die Lehre vom Karma oder dem Gesetz der göttlichen Gerechtigkeit, die Lehre von der Wiederverkörperung der geistigen Elemente, aus denen seine Persönlichkeit zusammengesetzt ist, und der Kräfte, welche dieselben während des Lebens und nach dem Tode beherrschen. Diese Lehren finden sich in verhüllter Form in allen religiösen Systemen der Welt, und sind die Grundlage, auf welcher alle diese Systeme beruhen. H.P. Blavatsky hat nichts weiter getan, als den Schleier ein wenig gelüftet, der auf diesen tieferen Geheimnissen der Religion uns Wissenschaft ruht.            

 

 

          

 

Dr. med Franz Hartmann

 

"Helena Petrowna Blavatsky und Ihre Meister"

 "Zweiter Teil"