Mein lieber Bruder Gragorianus!

 

Nicht was Sie glauben, sondern dass Sie glauben, ist allein wichtig, und das aus innerster Überzeugung und heissen Herzen. In diesen weihnachtlichen Stunden gehen meine Gedanken zu Ihnen, und so wünsche ich Ihnen eine besinnliche, friedvolle Weihnachtszeit.

 

Seit Tausenden von Jahren, durch alle Generationen  hindurch, werden die Menschen immer wieder vor die gleiche Wahl gestellt zwischen Annahme und Ablehnung der ewigen Gesetze. Diese beiden einander entgegengesetzte Prinzipien, also Wege, die jeder von uns einschlagen kann, bedeutet heute wie stehts Kampf und Überwindung oder Verkrampfung und Vernichtung. In diesem Geist der Erde, deren Mutterboden die Menschheit ist und war, gab es stehts Höhen und Tiefen.

 

Zwischen diesen positiven und negativen Kräften, denen sich niemand entziehen konnte, muss der Kampf ausgetragen werden. Vor dieser Alternative ist jeder Mensch gestellt. Er hat die Entscheidung zu fällen für die helle oder dunkle Seite. Eine Vereinigung, so oder so, kann es nicht geben. Das Schicksal fordert von jedem klare Entscheidungen. Es kann hier nur ein Entweder – Oder sein. In diesem Ringen um den inneren Fortschritt geht es nur über die Selbstüberwindung nach oben. Das höchste Ziel lässt sich nicht erreichen, wenn die ausgereifte Selbsterkenntnis nicht bis in letzte geläutert ist. Wogegen der andere Weg nur im Nihilismus alles Negativen endet.

 

Wer aber die Kapsel sprengt, den Kreis durchbricht und Zeit und Raum geistig entfliehen kann, hat sich in diesem Räderwerk des irdischen – materilalistischen Denkens befreit und hat den Ausweg gefunden. Wer Gott als sein Du erkannte, ist seiner Fesseln ledig geworden. Ein Gott, der nicht als wirkliches Du begriffen wird, ist nicht der Gott, nach dem es sich zu suchen lohnt. Ein Christus, der nicht im Herzen geboren wurde, den sucht man in den Schriften ausserhalb vergeblich. Jeder Mensch trägt diesen Schlüssel zu seinem inneren Ich in der Hand, nur wissen die Menschen nicht, sich dieses inneren Schlüssels zu bedienen.

 

Die Ewigkeitsgegenwart in Gottes tun umfasst das ganze Sein. Da ist der Mensch stehts sein eigener Trennungsfaktor, denn er hat ja von seinem eigenen Ich Angst, und so sucht er stehts in betäubendem Vergessen vor seinem Ich zu fliehen. Um aus der Peripherie des Kreises zu gelangen und den Mittelpunkt zu finden, braucht man nur ein klares Denken – Nachdenken. Der Geist öffnet dann schon zur rechten Zeit die rechte Tür.  Es nützt uns nichts, in berauschende Halleluja – Illusionen zu verfallen, diese Paradoxie wird stehts in einer Enge von Torheiten enden. Wer sich da einbildet, mit der Nützlichkeit einer statischen Methode „ Gott – Christus und den heiligen Geist zergliedern zu können“, wird immer wieder eine neue Hülle finden, die noch in einer anderen steckt.  Im Wachstumsprozess hat der suchende Mensch seine Bahn zu zersprengen und alle weiteren Hüllen zu zerreissen, wenn er bis zum inneren Kern aller Dinge vordringen will. Dieses Erkennen kann wiederum nur durch das Hellwerden seines inneren Selbstes Geschehen. Da alle Beständigkeit vom Geist herkommt, wird sich dann auch die innere Geistigkeit aufrichten und das Sein durchstrahlen. Das Ursprüngliche hat seinen inneren Pol gefunden, ist zum Zentrum zurückgekehrt. 

 

Dieser geistige Weg ist ein geistiger Akt einer kosmischen Evolution vom Ich zum Du, zu der Vereinigung „Mensch – Christus – Gott“. Wer bis zu dieser Wegkreuzung gekommen ist, hat die Grundstruktur des Punktes Omega begriffen.

 

Mystik und Metaphysik haben sich in vereinigter Harmonie gefunden. Das Mysterium des Weltalls um uns ist nicht rätselhafter als das Geheimnis des Weltalls in uns. Wie oben, so unten, bewahrheitet sich immer wieder. In der inneren Stille des Denkens liegt die geistige Stärke und Strahlungskraft verborgen; ist der Mensch bis hierher vorgedrungen, wird ihm auch das heilige Mysterium der Geburt Christi zum Weihnachtsfest klar. Aus dieser Haltung heraus kommt der allumfassend Liebende, der Güte, Harmonie, Toleranz und Barmherzigkeit in sich trägt, zur letzten erkenneden Wahrheit, zu Gott.     

 

Wenn die weihnachtlichen Glocken das Fest einläuten, werden meine ausstrahlenden Gedanken bei ihnen sein.

 

Nun aber grüsse ich sie brüderlichst und sage ganz still und verhalten meinen leisen Dank für Ihren helfenden Beistand, desgleichen webe ich den Dank meiner Familie mit ein. Für Ihr geistig – symbolisches Geschenk für mich persönlich aber drücke ich ihnen die Hände, worte dürfen wir hierüber nicht verlieren.

 

Ein gesegnetes frohes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr wünscht Ihnen in geistiger Verbundenheit

 

Stehts Ihr

Frater Tiberianus

 

          

 

Frater Tiberianus

 

Aus dem Rosenbruder

 "Auszug Weihnachten"

Brief an Frater Gragorianus