denn der Geist bedarf zu seiner Befestigung und Verkörperung der Seele, d.h. der Substanz, und ist ohne diese wie   der Wind, welcher zu einem Fenster herein und zum anderen hinaus belässt, und von dem niemand weiß, woher kommt, und wo ihn er geht (Joh.III.8). Wir leben in einer seelenlosen und seelentötenden Zeit, in einer äußerlichen Scheinwelt. Das Oberste ist zu unterst und das Unterste nach oben gerichtet, wie es in der diesem Kapitel vorgesetzten Figur angedeutet ist.

 

 Sie bezeichnet den äußeren und inneren Menschen mit seinen fünf Sinnen, und die äußere und innere Welt. Der äußere mit der Spitze (dem Kopf) nach unten gerichtet, ist der verkehrte; der innere, erst im Entstehen begriffene Mensch stet mit dem Kopfe nach oben; d.h. sein Bestreben ist nach oben gerichtet; während die äußere Welt nur nach dem unteren, dem Materiellen trachtet. Sie ist selber vergänglich und liebt das Vergängliche; sie ist selbst ein Scheinwesen und Gott ist der Schein. Jeder rennt nach Schätzen, die am Ende im Staub und Asche zerfallen, und verliert auf dieser Jagd die herrlichsten, dauernden Güter. Das Höchste wird in den Dienst des Niedrigsten gestellt; das Göttliche zum Vorteil der Habsucht des einzelnen oder im Interesse des Sektierertum prostituiert, die Sinne werden trunken Gemacht und die Vernunft betäubt; Klugheit im Dienste des Egoismus ist Herrscherin in der Welt anstelle der Weisheit; der Verstand wird über- füttert, die Intuition unterdrückt, das Ideale beiseite geschoben, und die Seele verschrumpft und verhungert dabei. Infolge der immer steigenden Bedürfnisse und der immer schwieriger werdenden Kampfes ums äußerliche Dasein ist der Egoismus sowohl für den Einzelnen als auch für jede Klasse zu einer eisernen Notwendigkeit geworden, und Habsucht, Ehrgeiz und Neid rufen eine Menge von Teufel ins Leben und erstickten jedes bessere Gefühl.

Wo kein Gefühl ist, da ist auch kein Leben; das Gefühl aber entspringt aus der Berührung. Niemand kann einen Gegenstand mit den Händen begreifen, wenn er nicht fähig ist, ihn zu befühlen, und ebenso wenig können wir dasjenige, was in uns göttlicher Natur und unsterblich ist, mit dem Verstande begreifen, wenn wir es nicht in uns und in unserem Innern fühlen können, und wir können es erst dadurch fühlen, dass wir mit ihm in Berührung kommen. Damit, dass wir uns von Gott, vom Himmel, oder vom geistigen Leben irgend eine Vorstellung machen, ist uns weniger gedient; wir können das äusserliche Leben in Wirklichkeit erst dadurch kennenlernen, dass wir selbst darin leben, mit ihm in Berührung kommen, es an uns selber erfahren, und dasselbe ist mit dem innerlichen Leben der Fall. Von einer Berührung der Seele mit dem göttlichen Geiste ist aber in unserer Zeit wenig zu merken. Allerdings ist das Kirchengetriebe noch überall in vollem Gange; aber es fehlt darin an religiösen Gefühl; die Religion ist vielfach zu Kopf Arbeit geworden; das Herz bleibt dabei leer; die religiösen Schriften finden wenige Leser und noch weniger Verständnis, obgleich der Gegenstand, den sie behandeln, von allen Dingen und für jedermann am Ende das Wichtigste ist.

Um uns selber klar zu werden, müssen wir bedenken, was das Leben, sein Ursprung und seine Bestimmung ist. An der Lösung dieses Rätsels hat die äußere Naturwissenschaft seit Jahrtausenden vergebens gearbeitet, und wird sie nie finden, solange sie die einzige Quelle, aus welcher alles Leben und Dasein entspringt, nicht kennt oder sie absichtlich ignoriert, weil sie sich nicht“ wissenschaftlich“, d.h. objektiv oder handgreiflich nachweisen lässt. Sie hat es nur mit der Tätigkeit des Lebens in seinen Erscheinungen, nur mit den Wirkungen und Offenbarungen des Lebens in der Materie, nicht aber mit dem Lebensprinzip zu tun, welches ebenso allgemein ist als der Äther des Weltraums, und dessen Gegenwert auch nur durch seine Wirkungen erkannt werden kann. Wo aber die“ positive Wissenschaft“ nicht mehr weiter kann, da hilft uns die Religion auf die richtige Spur. Die Bibel lehrt, dass alles aus dem Worte erschaffen ist. Das Wort (Logos) ist Gott und sein Geist der Ursprung alles Lebens. Diesen Geist können wir allerdings nicht auf dem Wege der objektiven Forschung, wohl aber in unserem innerlichen Bewusstsein finden. Wer  den Geist Gottes hat, und Ihn in sich selber erkennt, der hat davon „exaktes“ Wissen; der ist der richtige „Positivist“.

Das innere Leben Seite 2

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