Wolfgang Geyers Führung durch Meister Tiberianus
         
("Auszug aus Eberhard Maria Körner´s Büchlein " Wer kann´s fassen?")
GEISTIGES SUCHEN AUF VIELEN WEGEN

Es gibt mannigfaltige Wege der Wahrheitssuche; doch ebenso mannigfaltig sind zunächst in die Irre führenden Wege. Wie aber will man die Wahrheit erkennen, wenn man den Irrtum nicht erkennt? Auf diese Weise gehört beides zunächst zusammen. Wer auszieht die Wahrheit zu suchen ist aber notwendig enttäuscht, wenn er dabei auch Irrwege beschritten hat. Genaugenommen hat auch der Irrweg seinen Sinn.

Wodurch wurde ich bestimmt, den Weg der Wahrheit also mehr zu suchen als der Durchschnittsmensch? Ich weiß nur, dass dieser unwiderstehliche Impuls in mir lag, obwohl ich von zuhause aus nicht das geringste religiöse Fundament mitbrachte.  

Ich gestehe ohne Beschämung, dass meine erste Begegnung mit dem Aussersinnlichen durch eine Kartenlegerin erfolgte, obwohl doch diese Frauen me
Frater Gragorianus
ist nicht den besten Leumund haben. Das Geheimnisvolle und zugleich treffende Wissen, das jene alte Dame für mich aus den bunten Papierblättchen schöpfte, deren Zeichen mir damals jeder Bedeutung bar waren bewies mir fraglos: da war etwas Grösseres als unsere gesamte bewusste Vernunft. Wie könnte es sonst möglich sein, dass ein gewöhnlicher Mensch mir aus banalen Spielkarten meinen vergangenen, gegenwärtigen und künftigen Lebenslauf so genau schilderte, als kenne sie mich besser als meine leibliche Mutter. Jene Dame musste also befähigt sein, Raum und Zeit zu überbrücken und in eine uns im allgemeinen unbekannte Sphäre einzudringen, denn dass die Karten  selbst jenes wissen nicht vermittelten, war mir klar. Ich war von diesem ersten Erlebnis in solchem Maße beeindruckt, dass ich später noch viele Könner und Könnerinnen auf diesem Gebiete besuchte. Auch schloss ich dabei manch bleibende Freundschaft. Dass ich mich selbst mit der Mantik, der Deutung und Schau aus Zeichen, befasste, lag auf der Hand,und diese Methode der Schicksalsherstellung blieb bis heute eines meiner Lieblingsgebiete.

Ich wurde allmählich ständiger Gast bei Menschen, die sich mit den sogenannten okkulten oder parapsychologischen Problemen befassten. Ich wurde selbst mit der Deutung der Karten vertraut, lernte  Handformen, Handlinien und besondere Handzeichen zu beurteilen und Begriff, dass jeder Mensch aufgrund seiner ererbten erworbenen und mitgegebenen Begabungen eine besondere Aufgabe auf Erden zu erfüllen hat.

Denn weshalb sollte der eine mit einer Künstlerhand, der andere mit einer geistigen Hand, der dritte mit Zeichen robuster Gesundheit in den Händen, und ein vierter mit kränklicher  Konstitution geboren worden sein?

Ein einziger Satz gibt uns Antwort: " ER setzt in die Hände der Menschen Zeichen, auf dass ein jeder seine Werke erkennen sollte. "Langsam, ganz langsam, schritt ich auf meinem Weg zu wahren Erkenntnis fort. Ich hatte nicht die äußerliche Verschiedenartigkeit der Menschen erkannt, sondern als weit wichtigeres Geheimnis, dass nicht alle Menschen gleichen Gesetzen Unterlagen.Jeder einzelne hat die Aufgabe, die Bestimmung seines Lebens zu erkennen und zu erfüllen.Wer an diese Erfüllung mit dem unumgänglichen Fleiß und den entsprechenden Opfern wirkt, ist wahrlich seines Glückes Schmied.

Doch einer der äußersten Anlässe meiner Sinnsuche bestand darin, dass mir als junger Mensch anlässlich eines Explosionsunglücks beide Hände fast gänzlich verstümmelt wurden. Dieser schwerer Schicksalsschlag ließ Saiten in den Urtiefen meines Wesens anklingen, die mich der bisher verzweifelten Frage nach dem Sinn des Lebens, des scheinbar ewigen Kreislaufes zwischen Geburt und Sterben, ohne Unterlass suchen ließen.

Inzwischen sind zwanzig Jahre vergangen, und, liebe Leserin, lieber Leser, liebe Schwester und lieber Bruder: Ich unterscheide mich von den meisten Menschen nur durch die Tatsache, dass ich nun den Sinn des Lebens gefunden habe. Mein heißer Wunsch nach Wahrheitserkenntnis zog eine Kraft auf mich herab, die allen zur Verfügung steht, und die alles durchdringt. Es ist die Kraft der Liebe Gottes. Durch ihn konnte ich meinen Weg zur wahren Erkenntnis finden.

DER AUFSTIEG BEGINNT

Der Aufstieg zur wahren Erkenntnis kann nur stufenweise erfolgen. Unsere Reife entscheidet, auf welche Station wir jeweils gelangen. Dieses Gesetz wurde vom Schöpfer zu unserem eigenen Schutze geschaffen, denn Gott gibt nur jenen himmlischen Geheimnisse preis, die gewillt sind, Ihm ebenbürtig zu werden. Andernfalls würden wir uns den Aufstieg verbauen.

Die königliche Kunst der Astrologie gehörte zum meinen weiteren Stationen. Auf Erkennung körperlicher und seelischer Gebrechen legte ich von Anfang an den meisten Wert. Zur genauen rechten Zeit wurden mir auch die rechten Menschen, Lehrer und Bücher zugeführt, die mich den sinnvollen, geistig gelenkten Aufbau meine Ausbildung lehrten. Im Zuge dieses Weges durchforschte ich viele geistige Wege  wie Runenmagie, Mystik, Kabbala, okkulte Zahlenlehren und das Wissen mancher Logen.

Eines der wichtigsten Probleme wurde mir die Frage, was aus dem Menschen nach Ablegung seiner irdischen Hülle wird. Kirchen und Sekten, die ich zunächst regelmäßige aufsuchte, konnten mir darauf nicht antworten, obwohl ich auch manches Wertvolle dort erfuhr. Dennoch waren jene Prediger und Pastoren und Geistlichen gleich mir Sucher. Ich fand niemanden, dem die innere Gewissheit über letzte Lebensfragen geschenkt worden war und der mich hätte überzeugen können.

Auch meine Gastrolle bei spiritistischen Zirkeln und Medien ließ meine Sehnsucht unerfüllt. Überzeugende Wahrheiten fand ich auch dort nicht. Wohl sagte man mir, jene seien selig, die glaubten, ohne zu sehen. Aber diese Gabe des Glaubens lag nicht in mir. Auch die Annahme der Gnade setzt Glaube voraus.

Bald machte man mich zum „Zirkelleiter“. Viel wurde gereist, um Gedankenaustausch zu pflegen und Vorträge zu halten. Die Gewissensfrage, ob wir uns wirklich auf dem Weg zur Erkenntnis befänden, mussten wir ehrlich verneinen. Der innere Friede war noch nicht gefunden, und bald hatte jener Zirkel für mich seine weiterführende Bedeutung verloren.


 


 





                   
Margriten
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