DER GEHEIMNISVOLLE FINGERZEIG

Jeder musste nun, seiner Berufung folgend, seinen eigenen Weg weitergehen. Ich hatte einst gehört, dass man, auf einer bestimmten Stufe auf dem Weg zum Höchsten angelangt, durch geistige Führung einen Lehrer erhielte. In Indien wird ein solcher „Guru“ genannt, und hier können wir Ihn „Meister“ nennen. Keiner unseres früheren Zirkels aber hatte je solchen Meister getroffen, der uns auf dem Wege zur Vollendung entscheidend überlegen gewesen wären.

Im Gebet und in der Meditation bat ich Gott allabendlich, mir einen solchen Meister zu senden. Einen solchen der mir die Wunder, über die ich in so vielen Büchern gelesen hatte, auch zeigen konnte, der mir als Bruder und väterlicher Freund beratend zur Seite stehen würde, ja, der auch meine geistige Entwicklung leiten möge.

Als ich eines Mittag zum Geschäft nach Hause kam, teilten mir meine Angehörigen mit, dass mich eine Dame hatte sprechen wollen, die ins Ausland reisen würde und sich vorher gerne noch einige Bücher bei mir entliehen hätte. Sie hätte nicht warten können, wolle vielleicht aber nochmals vorsprechen. Auf meinem Rückenwege zum Arbeitsplatz kam sie mir bereits entgegen. Ich konnte Ihr die Bücher geben, und wir unterhielten uns noch über einige geistige Themen.

Bereits bei der Verabschiedung sagte sie wie beiläufig, ich möge doch einmal einen bestimmten Herrn besuchen, der in Indien gewesen sei, und vielleicht für mein Leben bereichernd sei.

Erst einige Tage später erfasste mich der dringende Impuls, jenen Herrn zu besuchen, an den ich aber auch vorher stets hatte denken müssen.

An der angegebenen Wohnung angelangt, öffnete mir ein Mittfünfziger mit gütigen, durchgeistigten zügen. Er blickte mich prüfend, doch freundlich an. Etwas unsicher äußerte ich meinen Wunsch, mit ihm über geistige Gebiete zu sprechen.

„Kommen Sie. Ich habe sie schon seit Tagen erwartet, denn eine Aufgabe harrt auf Sie.“

„Er ist der ersehnte Meister“, durchzuckte mich ein Gedanke. Und augenblicklich fühlte ich mich von Liebe durchströmt und dankte im Geiste Gott für die Gebetserhörung. Noch aber ahnte ich nicht, welche herrlichen Bewwise des Einwirkens göttliche Schöpfung in unserem Leben meiner harrten.

WEGWEISER IN DIE ZUKUNFT

Der Meister führte mich in ein gemütliches Zimmer. Meine Verwirrung durch seine Begrüßungsworte entging ihm nicht. Er bekräftigte aber: „Ja ich habe sie erwartet, denn sie haben eine Aufgabe zu erfüllen. Sie sollen kranke Menschen heilen. Ich fühle in meinen Händen, dass sie mit Planetensymbolen zu tun haben und auch mit Heilkräutern.“

Diese Aussagen stimmten, und ich konnte sie sofort bestätigen. Denn meine astrologische Ausbildung und das Studium der Heilkräuter haben entscheidende Bedeutung für mich gehabt. Auch dass ich wegen Krankheit mein Studium abbrach, sagte mir wahrheitsgemäß der Meister.

„Doch sie werden es wieder aufnehmen und noch oft hier sein und viel erleben“, fuhr er fort. Eindrucksvoll waren seine zahlreichen von ihm selbst gemalten Aquarelle, die in Motiven und Farben einen höheren geistigen Wege ausdrückten.

Nachdem er mir manches aus seinem eigenen Leben berichtet hatte, nahm sein Gesicht plötzlich jenen konzentrierten Blick an, den ich später noch so oft beobachten konnte. Er schien ins Unendliche zu blicken. Plötzlich sagte er: „Fühlen sich einprägen in der rechten Hand?“ Ich bestätigte es. „Das wird einmal Ihre heilende Hand!“ erklärte der Meister.

Eine mir dringliche Frage möge ich noch stellen, bat er. Ich fragte, ob die Prophezeiung stimme, die ich einmal erhalten hatte, dass ich eine schwere seelische Erkrankung durchzustehen habe.“ Aber nein“, erwiderte der Meister, Sie haben vielmehr ein Prüfungsjahr zu erwarten, doch keine seelische Erkrankung!“

Inzwischen ist ein Jahr vergangen, und ich habe mein Staatsexamen als Heilpraktiker abgelegt. Von seelischer Erkrankung war nicht die geringste Spur zu bemerken. Der Meister hatte recht behalten.

 

ERSTE OKKULTE ERLEBNISSE

Wodurch unterscheidet sich der echte Eingeweihte von der Vielzahl der Schein-Eingeweihten, deren wirkliches können nicht das Ausmaß ihres Geltungsdrangs erreicht? Der echte

Eingeweihte spricht wenig. Und was er sagt, hat stets Bedeutung und Sinn. Er zeigt, sofern das notwendig ist, nur echte okkulte Phänomene. Diese sind in der Regel so erstaunlich, dass man wirklich meint, ein lebendiges Märchen zu erleben.

Einige solcher wundersamen okkulten Erlebnisse dufte ich bereits bei einem meiner nächsten Besuche beim Meister erfahren.

Ich hatte bei solcher Gelegenheit einmal heftige Kopf-und Nackenschmerzen. Er, Tiberianus, sah mir diese Beschwerden sofort an. „Ihre Aura strahlt heut trüblich-grau. Beim letzten Mal war sie grünlich- blau….“. „Ich habe starke Kopfschmerzen, aber weiß deren Ursache nicht“, erwiderte ich.“  Diese ist leicht festzustellen“, sagte Tiberianus, „der Mensch ist, symbolisch gesehen, in eine Anzahl von Dreiecken eingeteilt. Wir müssen nun feststellen, welches Dreieck in ihrem Fall betroffen ist.“

Ich wurde gebeten, mich in einen Sessel zu setzen, und der Meister sagte:“ im Geiste gehen wir jetzt alle ihre Organe durch. Bitte konzentrieren sie sich fortgesetzt auf ein Dreieck. Komme ich an die Körperstelle, in der Ihre Krankheitsursache liegt, erscheint in meinen Händen als stigma ein deutliches Dreieck.“ Bei der Berührung meines Gesicht erschien in beiden Händen des Meisters je ein klares, wie mit Lineal gezeichnetes Blutrotes Dreieck. Nie zuvor hatte ich ähnliches erlebt. Es stellte sich übrigens heraus, dass meine Beschwerden eine Erkältung als Folge der Übertreibung Kneippscher Anwendungen zugrunde lag.

Später zeigte mir Tiberianus dieses Experiment noch oft. Nach geraumer Weise verschwanden dann die Dreiecke, und seine Handflächen waren glatt wie zuvor. Bei mangelnder Konzentration meinerseits erschienen auch zuweilen unvollkommene oder sehr schwache Dreiecke.

Dann“ durchstrahlte“ mich Tiberianus, wie er seine Heilungskraftübertragung nannte. Er rieb vorher bei den Handflächen aneinander, legte mir eine Hand auf die Stirn, die andere in den Nacken. Wohlige Wärme durchstrahlte mich. Alle Schmerzen waren spontan fort. Im gleicher Weise wurden Kopf und Rücken durchstrahlt. Bemerkenswerte Bilder zogen dabei im Geiste an mir vorbei. Einmal wichen die Zimmerwände auseinander, und ich erblickte einen herrlichen Wasserfall und dessen Plätschern. Ein anderes Mal erblickte ich ein helles, goldenes Licht, das mich gänzlich überflutete.  Wundervolle Ruhe, vollkommener innerer Frieden wurden mir dadurch zuteil. Danach bemerkte Tiberianus schlicht:“ Nun, Bruder Geyer, können Sie den geistigen Weg nicht mehr verlassen!“

Ich hatte nun eine ersten Stufe der Einweihung erlebt und dufte dem Wege zur wahren Erkenntnis folgen.

MEIN WEG ZUR UMFORMUNG

 "Wenn ihr die Welt verändern wollt, so müssen wir Menschen uns zuerst ändern; erklärte mir Tiberianus. „Wie der Makrokosmos dem Mikrokosmos entspricht, so wird der Menschen stets nur seinesgleichen anziehen. Das ist das göttliche Analogiegesetz. Nach diesem wichtigsten Grundsatz überhaupt gestaltet sich, um buddhistisch zu sprechen, unser ganzes Karma, als Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Umformung oder Transformation ist die entscheidende Voraussetzung zur Erreichung hoher geistiger Ziele!“

Auf meine Frage nach der genauen Bedeutung der Umformung entgegnete der Meister:“ Es ist das Umstellen der Lichter. In der Astrologie finden sich dafür die Symbole der Sonne für den Geist und des Mondes für die Seele. Der Geist, aber auch der Verstand sind vorwiegend im Kopf lokalisiert. Im Herzen, oder nach alter Überlieferung im Blute, ist die Seele und das Gefühl lokalisiert. Ursprünglich waren Verstand und Gefühl im Menschen eins. Die Trennung erfolgte erst nach dem Sündenfall, der Absonderung, in der der Mensch seinem eigenen Verstande Folgen zu sollen glaubte. Auf dem geistigen Wege ist es unsere Aufgabe, Verstand und Gefühl wieder zu einen, denn was oben ist, ist unten und umgekehrt.“

Tiberianus erklärte mir die genauen geistigen Übungen zur Erreichung der Umstellung der Lichter, die von den Rosenkreuzern „ Chymische Hochzeit“ genannt wird. Mit dieser Umformung ist zugleich die höchste Entwicklung unserer fünf bekannten Sinne verbunden. Doch auch der sogenannte sechste Sinn erwacht. Aber zahlreiche Übungen und freudiges, konzentriertes Verharren auf dem Wege zum hohen Ziel sind notwendig.

Der Meister belehrte mich weiter:“ nach dem Gesetz der Dreiheit, die auch dem Vater, dem Sohne und dem Heiligen Geist entspricht, müssen Körper, Seele und Geist entwickelt werden. Täglichen Übungen im Hatha Yoga wie das Verharren im Lotussitz, gymnastische und Atemübungen sind unerlässlich. Zur seelischen Entwicklung trägt das mehrmalige tägliche Gebet sowie die gelassene Hinnahme und Meisterung aller unserer angenehmen und unangenehmen Probleme bei. Konzentrationsübungen wie die plastische Vorstellung eines Dreiecks, mancher Buchstaben und die Projektionen verschiedener Farbtöne ins All sind geistige Übungen. Dazu gehören auch bildhafte Vorstellungen und das aussprechen von Mantrams wie beispielweise das AUOM. Die Meditation über das Wesen Gottes ist wichtig und vor allem die stete innere Vollbringung des Lichterumstellens.

Abends sollen wir Gewissensforschung betreiben, uns gute Taten und Gedanken bestätigen, aber negative verwerfen. Allmählich erreichen wir somit eine ständige Selbstkontrolle und die Karma-Auflösung bereits im jetzigen sein.“

Damals fürchtete ich, diesen Anforderungen nicht gewachsen zu sein. Heute weiß ich, dass es möglich ist. Gottvertrauen, Freude und Liebe zum Werk sowie unerschütterliche Konzentration sind nie zu umgehen. Bald stellt sich körperliches und seelisches Behagen ein und die Entwöhnung von Fehlern und Lastern. Bewusst beginnen wir zu leben! Jegliches, auch das geringste tun erfolgt in dem Wissen, mit Gott zu gehen.

GENAUER HEILUNGSAUFTRAG

Der 19.Juli 1967 war ein Markstein für mich. Mir war schon lange klar, dass ich eine schwere Aufgabe zu leisten hatte. Jeder, der die Stufe der Umformung erreicht hat, findet seine Fähigkeiten gemäss seinem Einsatz in der Bewährung des Alltags.

So überraschte mich nicht, als der Meister jetzt eindringlich wiederholte „Sie sollen kranke Menschen heilen“. Er schilderte mir dann die Stationen meines Werkes. „Bitte erschrecken Sie nicht, wenn ich Ihnen gleich sage, dass Sie Ihre Aufgabe bis zum 84. Lebensjahr durchführen müssen. Der Beginn wird im Jahre 1969 sein.“ Das traf bereits genau ein. „Zunächst werden Sie sieben bis acht Jahre eine Praxis führen, in der Sie die Grundlagen für Grösseres erwerben. Sehr wertvolle Hilfe wird Ihnen ein Gleichgesinnter schenken. Nach Ablauf dieser ersten Jahre werden Sie die jetzige Praxis aufgeben und ein Grundstück zwecks Durchführung geistiger Heilweisen erwerben. Das Grundstück liegt ausserhalb der Stadt, mehr auf dem Lande, wo Ihre Konzentration gefördert wird. Heute in zehn Jahren, am 19. Juli 1977 also, sehe ich Sie in einem kleinen Raum, dessen Tür oben bogenförmig gewölbt ist, Rechts von ihnen steht ein Glasschrank, in den Mappen eingeordnet sind. Vor Ihnen sitzen in mehreren Reihen etwa dreissig Menschen. Ich sehe sie in einem herrlichen Gewand als Symbol Ihrer geistigen Aufgabe.

In Ihrem 56. Lebensjahr wird man Sie anfeinden; doch Ihre Patienten bleiben Ihnen treu. Einig Jahre später werden sich Menschen in Ihrer Wohnung versammeln, die nur durch das Gespräch, das Gebet und die Meditation Heilung finden. Doch dürfen es nie mehr als neun Menschen zugleich sein. Es werden auch nur solche zu Ihnen kommen, die innere Verbindung mit Ihnen haben. Erst nach dem 84. Lebensjahr können Sie sich in Harmonie darauf vorbereite, bald den VATER zu schaun.“

VORAUSSETZUNG GEISTIGER HEILWEISE

„Wer heilt hatte recht“, lautet ein alter Wahlspruch. Damit wird das ausgedrückt, das Heilen eine Begabung, eine Gottesgabe ist und nicht unbedingt ein Studium der Medizin erfordert. Ich Stimme dieser Wahrheit durchaus zu. Denn wer von GOTT zum Heilen berufen wurde, muss nicht unbedingt studieren. Der geistige Heiler kennt die Vorgänge im menschlichen Organismus oft besser als mancher Fachmediziner.

Indessen baut die Geistheilung nicht allein auf der Hauptquelle der Intuition und persönlichen Begabung auf, sondern ein solcher Heiliger wird die exakte Kenntnis anatomischer und physiologischer Tatsachen als ideale Ergänzung auffassen.

Das deshalb ein Heilpraktiker eine staatliche Prüfung ablegen muss, ist gerechtfertigt. Auch Tiberianus forderte dieses von mir, den Anpassung an die Gesellschaftsordnung, in die wir gestellt sind, und soweit wir damit nicht unethisch handeln, ist auch und gerade für den geistig strebenden wesentlich.

Mit anfänglichem Bangen ging ich an das harte Studium, dass ich nebenberuflich absolvierte. Doch die ständigen aussprachen mit dem Meister und dessen Anweisungen liessen mich mein Studium zu einem ungeahnten geistigen Erlebnis werden.

Besuchte ich Bibliotheken, so wurde mir das genau passende Buch stets zugeführt. Ebenso begegnete ich jenen Menschen, die mir außerdem Meister Förderer auf dem Wege zur Heilpraktikerschaft wurden. Tiberianus gebührte aber infolge seiner unermüdlichen Meditationen für mich das Hauptverdienst, dass ich mein Ziel erreicht habe, und selbst viele meiner Träume waren von Belehrungen ausgefüllt, die harte Klippen auflösten.